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  • Das Koch-Festival Les Etoiles de Mougins

    Espace demostrations gratuites

    Kochvorführung im Espace Roger Vergé

    Wie wär’s mit noch ein wenig Butter, fragt der Moderator witzelnd, nachdem Sternekoch Jean-Francois Berard für seine Fischvariationen schon so viel Butter verwendet hat, als würde er einen Kuchen backen. Viel Butter also. Ist das das Geheimnis hoher Kochkunst? Nach zwei Tagen beim Kochfestival “Les Etoiles de Mougins” ist zumindest eines klar: Es gibt nicht das Koch-Geheimnis, es gibt hunderte, und jeder Koch hat einige.

    Berard bei der Arbeit

    Jean-Francois Berard legt letzte Hand an

    Im kleinen Dörfchen Mougins etwa 15 Kilometer nördlich von Cannes, malerisch auf einer Bergkuppe mit Blick bis zur Cote d’Azur gelegen, werden sie alljährlich im September gelüftet, die Geheimnisse der Spitzenköche dieser Welt (zukünftig soll das Festival im Juni stattfinden). Dazu reisen Maestri von Brasilien bis USA, von Marokko bis Holland an. Und natürlich aus allen Teilen Frankreichs. Von hier stammen, wen wundert’s, die meisten teilnehmenden Köche. In diesem September waren es 130 aus 15 Ländern – mehrheitlich Männer. Zur Ehrenrettung der Frauen war beispielsweise die mit einem Stern ausgezeichnete Stephanie Le Quellec vom Hotel Price de Galle aus Paris mit von der Partie.

    Zwei Tage im Jahr wird das kleine Mougins zum Nabel der Kochwelt – oder sollte man vielleicht besser sagen zum Magen oder Gaumen? Und Mougins und seine Besucher zelebrieren dieses einzigartige Festival in einer Mischung aus Heldenverehrung und Volksfest – in diesem Jahr zum zehnten Mal. Überall in dem für Autos komplett gesperrten Ort sind Stände und Zelte aufgebaut. Es brutzelt, dampft und brodelt, man kann zusehen und zuhören, manchmal auch probieren oder selbst den Kochlöffel schwingen.

    Das Programm ist generalstabsmäßig durchgeplant. An elf Stationen wird zeitgleich gekocht und erklärt, jeweils eine Stunde lang, dann folgt der nächste Koch. Da heißt es gut vorbereitet sein für die Küchenmeister, die zum Teil mit ihren Hilfsköchen angereist sind. Und die Besucher haben die Qual der Wahl, ob sie nun Benoit Sinthon aus Madeira bei einem Fischgericht zuschauen möchten oder lieber dem Patisseur Philippe Brito aus Cannes bei seiner Nachtischkreation oder vielleicht dem Zwei-Sternekoch Erik van Loo aus Rotterdam, der eine Garnelen-Vorspeise mit schier unendlichen Tomatenvariationen zaubern wird. Nur die Basisinformation Fisch, Fleisch, vegetarisch oder Patisserie enthält das Programm und natürlich die Namen der Köche. Welches Gericht genau gekocht wird, erfährt man erst beim Zuschauen oder Mitmachen.

    Stephanie Le Quellec

    Sterneköchin Stephanie Le Quellec mit Moderator

    Drei Möglichkeiten der Teilnahme haben die interessierten Besucher von “Les Etoiles de Mougins”. Im Zelt „Espace Roger Vergé“ gibt es kostenlose Kochshows für bis zu 180 Personen. In einem anderen Bereich werden für 7 Euro Vorführungen für bis zu 80 Personen angeboten, bei denen die Teilnehmer am Ende auch eine Kleinigkeit probieren können. Und schließlich kann man für 20 Euro in einer Gruppe bis zu 12 Teilnehmern mit dem Meisterkoch seiner Wahl selbst kochen.

    Kochkurs mit Eric Van Loo 2

    Kochkurs mit Erik van Loo

    Ein wunderbares Konzept, das sich in den zehn Jahren des Bestehens von „Les Etoiles de Mougins“ bestens bewährt hat und jährlich mehr Kochfans nach Mougins pilgern läßt – in diesem Jahr rund 30.000. Bislang sind es hauptsächlich Franzosen, die nach Mougins kommen, was vielleicht auch damit zu tun hat, dass bei den Kochshows und Kursen so gut wie nur französisch gesprochen wird.

    Wer gerade nicht bei einem Programm mitmacht, der kann entspannt in einer Bar etwas trinken, den Livebands zuhören, die im steten Wechsel auf einer open-air-Bühne auftreten, im „Café litteraire“ Talkrunden mit Sterneköchen lauschen und dabei in einer großen Auswahl aktueller Kochbücher blättern oder einfach nur die herrlichen Ausblicke auf die Landschaft rund um Mougins genießen.
    Nur eines wird man als Teilnehmer eines oder mehrerer Kochkurse in Mougins wohl eher nicht tun: in einem der Restaurants des Orts ein mehrgängiges Menü zu sich nehmen….

    Robert Jungwirth

    Auch manchen Straßennamen hat man in Mougins zu Ehren von Meisterköchen umbenannt

    Auch manchen Straßennamen hat man in Mougins zu Ehren von Meisterköchen umbenannt

    Reiseempfehlungen:

    Das Festival “Les Etoiles de Mougins” 2016 findet vom 10.-12. Juni statt. Der Zugang zum Festival ist kostenlos. Da der Ort selbst für den Autoverkehr gesperrt ist, muss man sein Auto auf dafür ausgewiesenen Parkplätzen rund um Mougins abstellen und dann mit einem Shuttlebus nach Mougins fahren.

    Zum Übernachten empfiehlt es sich ebenfalls auf umliegende Hotels und Pensionen auszuweichen, da das kleine Angebot in Mougins selbst lang im Voraus ausgebucht ist.
    Zu empfehlen ist etwa das komfortable Hotel Mercure, ein Viersterne-Haus mit schönem Garten und Pool in provencalischer Umgebung unweit des neuen Bildungs- und Technologiestandorts Sofia Antipolis (Valbonne, Rue Albert Caquot).

    Weitere Informationen:

    www.lesetoilesdemougins.com

    www.cotedazur-tourisme.com

  • Nizza will grün werden

    Nizza von oben

    Blick auf Nizza vom Schlosshügel Colline du Chateau

    Nizza muss sehr schön gewesen sein. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts während der so genannten Belle Epoque, die ja auch ein Baustil war, hat sich die Stadt zu einem mondänen Bade- und Überwinterungsort für Adlige und Begüterte aus ganz Europa aufgeschwungen. Engländer und Russen kauften und bauten am klimatisch so begünstigten östlichen Ende der Cote d’Azur Stadtvillen und Paläste. Dazu kamen pompöse Hotels. Eines der schönsten war das Hotel Ruhl, das man in den 1970er Jahren abgerissen und durch einen Neubau aus Glas und Stahl ersetzt hat. Heute ist hier das Hotel Meridien. Vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg veranstaltete im Ruhl der Hotelier, Architekt, Zeichner und Kunstfreund Paul Tissier spektakuläre und weithin bekannte Künstlerfeste.

    Er selbst entwarf Mdme TissierBühnenbilder und Dekorationen, seine Frau, die Musikerin und Komponistin Gisèle Tissier die Kostüme.
    Die sogenannten Fetes wurden zu einem Anziehungspunkt für Freunde gehobener Unterhaltung aus ganz Europa. In dem zu einem Museum umgestalteten Palais Lascaris in der Altstadt von Nizza vermittelt heute eine sehenswerte ständige Ausstellung mit Fotos, Dokumenten, Bühnen- und Kostümentwürfen einen Eindruck, wie diese Fetes ausgesehen haben. Das Ehepaar Tissier muss ein strahlendes Künstler- und Unternehmerpaar abgegeben haben.

    Von diesem Glanz ist man heute in Nizza doch einigermaßen entfernt. Zwar besitzen die großen Belle Epoche-Paläste noch immer jede Menge Flair, aber dahinter und drum herum wirkt die Stadt doch oft auch recht schmuddelig – wie übrigens auch Cannes. Es ist laut, dreckig, und der Verkehr ist enervierend.

    Bevor Nizza vor ein paar Jahren der völlige Verkehrskollaps drohte, hat die Stadtregierung die Notbremse gezogen und eine Straßenbahnlinie quer durch die Stadt gebaut. Mit ihr kann man zum Beispiel direkt vom Bahnhof bis zur Uferpromenade fahren. Entlang der Gleise hat man die Autos ausgesperrt und eine Fußgängerzone daraus gemacht. Wer ohne Abgasqualm durch Nizza spazieren möchte, kann dies entlang der Straßenbahn tun.

    Parallel dazu baute man einen großzügigen Park, die Paillon-Promenade, zwischen der historischen Altstadt und der Jahrhundertwende-Stadt unweit des Meeres. Hier gibt es Ruheinseln zwischen Bäumen und Rasenflächen, Spielmöglichkeiten für Kinder und einen eindrucksvollen Brunnen, dessen Wasserstrahlen einer ausgetüftelten Choreographie folgen und auch zur Abkühlung an heißen Sommertagen genutzt werden kann. Der Park ist ein enormer Gewinn für die Stadt und bei Einwohnern und Touristen gleichermaßen beliebt.

    Park1

    Promenade du Paillon im Zentrum von Nizza

    Auch in der weitgehend autofreien historischen Altstadt von Nizza kann man sich ganz gut zu Fuß bewegen. Nur hat man vergessen, die Motorräder und Motorroller auszusperren. Geknatter und Gestank sind deshalb unliebsame Begleiter bei einer Tour durch die Altstadt. In Frankreich fahren in einer Stadt wie Nizza in etwa so viele Motorräder und Motorroller wie in Deutschland in drei Städten…

    Motorroller

    Solange sie geparkt sind, sind sie nicht so schlimm, aber wehe wenn sie alle losfahren…!

    Nizza soll eine grüne Stadt werden, verkünden die Verantwortlichen des Stadtmarketings. Auf dem Weg dahin ist man schon ein gutes Stück vorangekommen. Aber noch immer ist die Luftverschmutzung ein Problem, der Autoverkehr trotz Straßenbahn, Elektro-Ladestationen und kostenlosen Leihrädern gefühlt so dicht wie in einer Millionenstadt – dabei hat Nizza gerade mal 400.000 Einwohner. Doch die angrenzenden Monaco, Cannes oder Antibes lassen den (Durchgangs-)Verkehr entsprechend anschwellen – und auch die Gewohnheit der Franzosen überall mit dem Auto hinzufahren.

    Es wird also noch einiges geschehen müssen, um aus Nizza eine wirklich „grüne“ Stadt zu machen, die für die Menschen und nicht in erster Linie für die Autos da ist. Doch mit diesem Problem ist Nizza nicht allein. Überall auf der Welt werden sich Städte in den kommenden Jahren radikal verändern müssen, damit Lebensräume für Menschen und nicht für Autos entstehen. Viele Maßnahmen sind dafür notwendig: der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die Förderung von Elektromobilität, Fußgänger- und Ruhezonen, kostenlose Leihräder, Straßensperrungen, der Bau attraktiver Radwege…

    In Nizza gibt es zum Beispiel etliche städtische Ladestationen für Elektroautos. Fahrende Elektroautos sieht man allerdings nur wenige – nicht anders als in Deutschland. Und die Leihräder Velo bleu lassen sich zwar auch von Touristen benutzen, aber man muss schon ein bißchen Zeit und Geduld mitbringen, um die telefonische Registrierung erfolgreich zu absolvieren. Und danach fragt man am besten einen Einheimischen, wie es weiter geht…

    Das „grüne Nizza“ ist übrigens nicht etwa das Projekt einer grünen Stadtregierung, sondern einer konservativen. Grüne Politik zu machen ist längst nicht mehr nur für die Grünen ein Ziel. Auch andere Parteien haben kapiert, dass Investitionen in eine lebenswerte und gesunde Stadtlandschaft eine Investition in die Zukunft sind und Renditen für die ganze Stadt versprechen – vor allem im Bereich Einzelhandel und Tourismus‘.

    Natürlich war Nizza auch schon vor dem grünen Umschwung einen Besuch wert, aber jetzt ist es definitiv angenehmer, sich hier aufzuhalten, zumindest wenn man kein allzu abgelegenes Hotel gebucht hat. Am besten ist es, eines an der Straßenbahnlinie zu wählen. Wobei man beim Preis/Leistungsverhältnis hier Abstriche machen muss. Man kann in Nizza gut und gerne einen bis zwei Sterne abziehen, um auf den tatsächlichen Standard des Hotels zu kommen.

    Markt Antiquitäten

    Das östliche Ende des Cours Saleya am Antiquitätentag

    Am Vormittag kann man den berühmten Blumen- und Gemüsemarkt auf dem Cours Saleya besuchen – der an einem Tage der Woche zum Antiquitätenmarkt mutiert – und danach in einem der vielen Restaurants die Plat du Jour zu sich nehmen. Hinterher geht’s dann ans Meer – entweder für einen Spaziergang entlang der Promenade oder ein paar Treppenstufen hinunter zum öffentlichen Strand. Zwischen Sonnenanbetern, Badenden, Volleyballspielern, Relaxenden und Picknickenden kann man es hier zu jeder Tageszeit gut aushalten – zumal es natürlich auch Bars und Cafés am Strand gibt.

    Strand mit Oper

    Der Strand von Nizza – im Hintergrund in der Mitte die Oper von Nizza

    Allerdings empfiehlt es sich, eine gepolsterte Unterlage und Schuhe fürs Wasser mitzunehmen, denn der Strand hier besteht aus Steinen und er fällt recht steil ins Wasser ab…Natürlich sind auch die Kunstmuseen wie das Matisse-Museum, das Chagall-Museum oder das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst einen Besuch wert. Oder ein Spaziergang auf den Schlosshügel Colline du Chateau mit seinem atemberaubenden Blick über den Strand und Nizza.
    Nizza muss sehr schön gewesen sein. Doch es ist auf einem guten Weg, wieder sehr schön zu werden.

    Robert Jungwirth

    Reiseinfos:

    www.cotedazur-tourisme.com

    Hotelempfehlung: Hotel Vendome. 26 Rue Pastorelli. Ordentliches 3-Sterne-Haus in einem schönen alten Gebäude mit viel Stuck im Eingangsbereich und angenehmen Zimmern, aber einem sehr kleinen Frühstücksraum.

    Restaurantempfehlung: L‘esclinada. 22 Rue Pairoliere. Traditionelle Gerichte aus Nizza in schöner Umgebung.

    Online-Reisejournal 2015

  • Bern und Umgebung: Kunst, Design und Whisky

    Blick auf Bern vom Rosengarten aus

    Bern ist eine der beschaulichsten Hauptstädte der Welt – vielleicht sogar die beschaulichste. In der im Zentrum der Altstadt gelegenen Gerechtigkeitsgasse mit ihren seit etwa 300 Jahren unveränderten Fassaden und den vielen schönen alten Brunnen fühlt man sich unmittelbar in eine andere Zeit versetzt – wenn nicht ab und zu Autos oder Busse vorbeifahren würden, wäre die Illusion perfekt.
    Zwar ist diese schönste Straße Berns verkehrsberuhigt, aber noch nicht genug. Noch immer holpern zahlreiche Fahrzeuge über das hübsche Kopfsteinpflaster – kontrolliert wird nicht. Und jedes Auto, das durchfährt, stört die Beschaulichkeit durch Lärm und Abgase. Immerhin fahren die städtischen Busse hier zumindest teilweise mit Strom. Gäbe es die Autos nicht, könnte man selbst im Angesicht der riesigen Turmuhr aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, der sogenannten Zytglogge, hier glatt aus der Zeit fallen.

    Den Bernern scheint es trotz der guten Sichtbarkeit der Uhr ganz gut zu gelingen, die Zeit zu vergessen. Sie sind gemütliche Menschen. Sich Zeit nehmen, nicht in Hektik zu verfallen, ist für sie eine Lebenseinstellung. „Ja ned gschprängt“, heißt die Devise, was man mit „nur nicht hetzen“ übersetzen kann. Der Berner an sich ist also entschleunigt – und liegt damit gerade voll im Trend. Nur dass die Entschleunigung in Bern schon seit Jahrhunderten praktiziert wird, und die Berner dafür sogar von den restlichen Schweizern mitunter belächelt werden.

    Die Zytglogge

     

     Die Zytglogge mit ihrem witzigen Figurenspiel, in dem natürlich ein Bär – das namensgebende Wappentier der Stadt – ein krähender Hahn, ein kopfwackelnder Bürgermeister und ein Narr, der die Glocke schlägt, wann es ihm gerade passt, vorkommen, ist ein so amüsanter Blickfang, dass man darüber glatt vergisst, auf die Zeit zu sehen, die das Zifferblatt anzeigt.

    Die Insellage der Stadt hoch über der u-förmigen Schlaufe des Flusses Aare trägt vielleicht auch das ihre zu der etwas weltentrückten Atmosphäre Berns bei. Und vermutlich war es auch kein Zufall, dass ausgerechnet hier im Jahr 1905 in der Kramgasse Nr. 49, nur 200 Meter von der Zytglogge entfernt, Albert Einstein seine Relativitätstheorie erdachte. In dem Haus ist heute ein Museum untergebracht, das zeigt, wie der große Physiker damals gewohnt hat.

    Nachdenken über das Wesen der Zeit kann man sehr gut auch in den vielen Cafés und Restaurants an oder unter den sich über 6 Kilometer erstreckenden Arkaden und an den Orten, von denen man auf den Fluss hinunterblicken kann. Es sind oft spektakuläre Ausblicke, die sich da dem Betrachter bieten, etwa von der großen Münsterplattform aus, die gleichzeitig der einzige richtige Park der Altstadt ist und der mit seinen hübschen Bänken unter schattigen Bäumen zum Verweilen einlädt.

    Ein Zentrum für Paul Klee

    Aber selbst für Berntouristen kann es sich lohnen, das Stadtidyll mal zu verlassen – zumal man es in etwa 2 Stunden zu Fuß bequem abgelaufen hat – um zum Beispiel das Zentrum Paul Klee zu besuchen, das die Stadt 2005 ihrem bedeutendsten Künstler von dem Star-Architekten Renzo Piano errichten hat lassen. Das Museum besitzt die weltweit größte Sammlung von Gemälden und Zeichnungen Klees und veranstaltet regelmäßig Sonderausstellungen, wie derzeit „Klee und Kandinsky“ – die weltweit erste Ausstellung über diese so wichtige und fruchtbare Künstlerfreundschaft, die 1911 in München begonnen hat, sich dann in Weimar und Dessau, wo beide Maler am Bauhaus unterrichteten, intensivierte, bis sie die Emigration auseinandertrieb – Klee in die Schweiz und Kandinsky nach Paris.

    Zunächst ist der 13 Jahre ältere Kandinsky ein wichtiger Bezugspunkt und Ideengeber für den jungen Paul Klee – Klees Reiterzeichnungen aus dieser Zeit verweisen deutlich auf die Reiter-Motivik in manchen von Kandinskys Bildern. Später lässt sich auch Kandinsky von Motiven Klees inspirieren. Auch der Bezug zur Musik ist für beide Maler sehr wichtig und äußert sich in ihren Werken auf vielfältige Weise. Schließlich ist es das Experimentieren mit neuen Techniken, wie der Spritztechnik, bei denen man Parallelen feststellen kann.
    All dies dokumentiert die Berner Ausstellung anhand zahlreicher ausgewählter Werke von Kandinsky und Klee, ohne den Besucher aber mit Eindrücken und Informationen zu überfrachten. Locker gehängt, können die Bilder in der lichten, schön gewölbten Halle ihre Wirkungen ideal entfalten. Die Ausstellung ist in acht Kapitel unterteilt, die jeweils mit knappen, aber sehr informativen Texten versehen sind.

    Zentrum Paul Klee bei Bern

     

    Design-Tour durchs Langenthal

    Wer sich für angewandte Kunst, sprich Design interessiert, der kann sich bei einer Design-Tour durchs Langenthal, etwa 30 Kilometer von Bern entfernt, inspirieren lassen. Hier sind einige sehr innovative Firmen ansässig und einige von ihnen führen ihre Produkte und Produktionsweisen gern interessierten Besuchern vor. Das Tourismusbüro von Bern bietet zu diesem Zweck seit etwa einem Jahr eine geführte Tour an, die ein Novum in der touristischen Vermarktung der Schweizer Hauptstadt und ihrer Umgebung darstellt. Das Interesse daran bestätigt die Initiatoren.

    Die Tour beginnt bei dem Schweizer Möbelbauer Girsberger, der in seinem Angebot und seinen Fertigungsweisen einen gekonnten Spagat zwischen Tradition und Avantgarde vollzieht. Neben zeitgemäßen Designermöbeln, vor allem Stühle und Bürostühle, hat sich die Firma auf die Fertigung hochwertiger Massiholzmöbel spezialisiert. Der Holzfachmann Beat Suter führt die Besucher erst einmal ins klimatisierte Holzlager. Zwischen wunderbar duftenden zersägten Eichen-, Buchen-, Ulmen- und Nussbaumstämmen erklärt er die Charakteristika der jeweiligen Hölzer und die Möglichkeiten ihrer Bearbeitung. Man kommt sich hier vor wie in einem riesigen Humidor, nur eben mit Baumstämmen statt Zigarren. In den hochmodernen Werkstätten werden aus dem Rohholz dann maßgefertigte Ess- oder Konferenztische für Kunden aus der ganzen Welt, aber auch Regale oder Schränke. Zurzeit lagert gerade ein etwa 400 Jahre alter Eichenstamm auf dem Firmengelände, der auf seine Verarbeitung wartet. Für so eine Rarität, die Girsberger nur erwerben konnte, weil der Baum krankt war, böten die Holzbearbeiter ihren ganzen Sachverstand auf, erzählt Beat Suter, um das „Besondere des Holzes, seinen Charakter herauszustellen“. Und sogar den Kunden für dieses außergewöhnliche Stück Holz suche man sich gezielt aus. Jemand, der das Produkt nicht wirklich zu schätzen weiß, sollte es auch nicht erhalten, meint Beat Suter, und es klingt, als würde er das auch wirklich so meinen. So ist das also: Das Produkt sucht sich seinen Kunden und nicht umgekehrt.

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    Tischplatte von und bei Girsberger

    Die Leidenschaft fürs Holz sprudelt aus Suter nur so heraus, wenn er von Eichen in Frankreich und Ulmen in Slowenien und ihrer jeweiligen Eigenart erzählt. Und es ist eine Freude, ihm dabei zuzuhören. Selbst für vollkommen Fachfremde lohnt sich eine Führung mit ihm – man wird Holz und Holzmöbel danach sehr wahrscheinlich mit anderen Augen betrachten.

    Ähnlich ergeht es dem Besucher nach der Besichtigung des Stoffherstellers Création Baumann, der seit 1886 Stoffe für die Raum-Innenausstattung gestaltet und selbst herstellt. Unter welchen Gesichtspunkten werden Stoffe heute kreiert, welche Materialien kommen zum Einsatz, welche Bearbeitungen, welche Techniken der Färbung und Bedruckung? Was sind neueste Entwicklungen und Anforderungen? Fragen wie diese werden bei einem Rundgang besprochen. Und bei einem Blick ins Designerbüro und in die Fertigungshallen erhält man durchaus Anregungen und Ideen auch für die eigenen vier Wände…etwa für Raumtrenner, Vorhänge, selbsthaftende Stoffe und und und…

    Vorhänge mit Leuchdioden 2

    Auch das kann man bei Création Baumann bekommen: Vorhänge mit Leuchtdioden

    Für die eigenen vier Wände allerdings im großen Maßstab ist dann die Firma Hector Egger Holzbau zuständig – wiederum ein Familienbetrieb, dessen Gründung ins Jahr 1909 zurück reicht. Diese Firma baut von der Berghütte bis zum mehrstöckigen Wohnhaus und zur Industriehalle alles, was man aus Holz bauen kann. In zwei gigantischen Hallen entstehen die Teile für die unterschiedlichsten Objekte mithilfe modernster Computersteuerung nach 3D-Plänen. Der Computer berechnet die Reihenfolge der Fertigung so, dass so wenig Holzabfall wie möglich entsteht. Die ca. 1 Million Euro teure gigantische Maschine, die so groß ist wie ein Sattelschlepper, sägt, hämmert, nietet, fugt und fräst alles in jeder beliebigen Größe genau nach Plan, bis am Ende ein fertiges Gebäude in Einzelteilen daliegt. Dabei produziert man hier keine Fertighäuser von der Stange, sondern nur Einzelanfertigungen. Das kann mal ein Bürohaus, mal eine Sporthalle oder eine Fußgängerbrücke sein.

    Natürlich wird kaum ein Besucher der Langenthal-Design-Tour hier gleich ein Haus in Auftrag geben. Aber Reiz und Sinn der Tour bestehen auch nicht im Einkaufen, sondern im Kennenlernen interessanter Betriebe und Produkte – und natürlich der Menschen, die dahinter stecken. Und man bekommt Einblicke in Bereiche und Produktionsweisen, die man sonst kaum je zu Gesicht bekommen würde. Das Angenehme dabei ist, dass diese Familienbetriebe hier eben nicht publikumsscheu sind, wie das bei den ganz großen Firmen der Fall ist. Im Gegenteil, man wünscht und freut sich über den Kontakt mit interessierten Besuchern und ist offen für Fragen.

    Das gilt ganz besonders auch für Hans Baumberger, den Exoten unter den „Designern“. Der gelernte Braumeister war vor einigen Jahren des Bierbrauens müde und verlagerte sich aufs Whisky-Brennen. Mit dem Vorwissen des Brauers – schon sein Urgroßvater hatte diesen Beruf – war das keine große Schwierigkeit, erzählt Baumberger – mal abgesehen von der finanziellen Vorleistung, die man natürlich für ein Produkt erbringen müsse, das man erst ca. 3-5 Jahre nach der Herstellung verkaufen kann.

    Whisky Brennerei 2

    Hans Baumberger vor seinem Langatun Whisky-Sortiment

    Baumberger kam auf die schöne Idee, die Whisky-Fässer im Voraus zu verkaufen, nicht nur zum Eigengebrauch, sondern auch als Wertanlage. So konnte er das nötige Geld für die Produktion einsammeln.
    Und mittlerweile gibt es im Langenthal sogar einen von dem englischen „Whisky-Papst“ Jim Murray mit hoher Punktzahl ausgezeichneten Single-Malt-Whisky mit dem fast schon irisch anmutenden Namen Langatun Old Bear –  Langatun ist eine frühe Form des Namens Langenthal. Von Baumberger erfährt man bei einem Besuch seiner Destillerie in einem historischen Kornhaus aus dem frühen 17. Jahrhundert alles Wissenswerte über das hochprozentige Getränk – und das Schöne ist, dass man Baumberger im Gegensatz zu manch irischem oder gar schottischem Whisky-Experten tadellos versteht…

    Autor: Robert Jungwirth

    Informationen und Empfehlungen:

    Bern erreicht man entweder mit dem Flugzeug oder mit der Bahn – ca. 1 Stunde von Zürich.

    Hotelempfehlung: Hotel Belle Epoque (****) sehr zentral gelegenes, neu renoviertes familiäres Hotel mit Jugendstilambiente. DZ 200-266 Euro. www.belle-epoque.ch

    Restaurantempfehlung: Kornhaus Keller. Schweizerische Küche in mittlerer Preislage in einem wunderbaren alten bemalten Kellergewölbe. www.bindella.ch/de/kornhauskeller.html

    Restaurant- und Hotelempfehlung Langenthal: Restaurant Bären. Hervorragende gehobene Küche in schönem historischen Ambiente. Das dazugehörige Hotel bietet u.a. schicke Design-Zimmer. www.baeren-langenthal.ch

    Sehr geschmackvolle Zimmer mit individueller Note und hochwertiger Ausstattungbietet bietet das Hotel L’Auberge in einer liebevoll renovierten alten Villa. Dazu gehört auch ein hervorragendes Restaurant. www.Auberge-Langenthal.ch

    Informationen über Bern: www.bern.com

    Die Ausstellung “Klee und Kandinsky” im Zentrum Paul Klee bei Bern ist bis zum 27. September zu sehen. Ab dem 21. Oktober wird sie im Münchner Lenbachhaus gezeigt. www.zpk.org

    Design-Tour Langenthal: www.bern.com/de/region/oberaargau/highlights-oberaargau/design-tour-langenthal

    Führungen durch die Destillerie Langatun gibt es übrigens auch für Einzelpersonen, jeden Samstag (außer Feiertage) pünktlich um 10 Uhr. Die Dauer beträgt 90 Minuten und kostet einschließlich Degustation CHF 20.

    Auch Whisky-Seminare und Whisky-Brenn-Seminare bietet Hans Baumberger an. www.langatun.ch

     Online-Reisejournal 2015

  • Mit Lucas Cranach durch Thüringen

    Ausstellungen in Weimar, Gotha und Eisenach feiern den 500. Geburtstag des Künstlers

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    Lucas Cranach: Martin Luther, 1520 Foto: Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

    Die Augen sind zielstrebig geradeaus gerichtet, das Kinn leicht angehoben. In den Gesichtszügen spiegeln sich Gedankenklarheit und Entschlossenheit. 1520 hat Lucas Cranach d.Ä. dieses erste Porträt des Augustinermönchs Martin Luther angefertigt, ein Kupferstich. Zahlreiche weitere sollten bis zu Luthers Tod 1546 folgen. Das letzte Bild zeigt Luther auf dem Sterbebett. Bis heute ist unsere Vorstellung von Martin Luther geprägt von den Bildnissen Lucas Cranachs des Älteren und seines Sohnes Lucas Cranach des Jüngeren – und in noch viel stärkerem Maße war das zu Lebzeiten Luthers der Fall.
    Die Freundschaft zwischen dem Maler Lucas Cranach d. Ä. und dem revolutionären Kirchenmann, die sich während beide in Wittenberg lebten entwickelt hatte, brachte es mit sich, dass so gut wie keine anderen Luther-Bilder existierten, außer denen aus der Werkstatt Lucas Cranachs.

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    Lucas Cranach: Martin Luther, 1529 Foto: Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

    Die meisten Luther-Bilder oder -stiche indes existierten nicht nur einmal, sie wurden in Serie produziert und vertrieben. Lucas Cranach d.Ä und sein Sohn waren nicht nur herausragende Maler, sie waren auch hervorragende Geschäftsleute. So hatten die Cranachs sozusagen das Monopol, den Reformator zu porträtieren und der Welt das Gesicht zur Reformation zu liefern. Wobei man davon ausgehen darf, dass Luther sicher auch Wünsche äußern konnte, wie er dargestellt werden wollte.

    Doch die Cranachs beschränkten sich nicht auf Luther-Porträts allein. Sie illustrierten auch die Schriften des Reformators – auch die Polemiken gegen das Papsttum mit durchaus karikaturistischer Schärfe, wie zum Beispiel in dem Buch „Wider das Bapstum zu Rom vom Teuffel gestifft“ von 1545. So ist es nicht übertrieben zu behaupten, dass am Erfolg der Reformation in Deutschland auch die Lutherbildnisse und Illustrationen aus der Werkstatt Lucas Cranach ihren Anteil hatten. Die Cranach-Werkstatt war eine Art Propaganda-Abteilung der Reformation in Deutschland. Wenn in diesem Jahr des 500. Geburtstags von Lucas Cranach d. J. in zahlreichen Ausstellungen gedacht wird (und dabei natürlich auch die Werke des Vaters mit einbezogen werden), so ist das gewissermaßen als Vorstufe für die Gedenkveranstaltungen zum 500. Geburtstag Martin Luthers im Jahr 2017 zu sehen.

    Drei Ausstellungen in Weimar, Gotha und Eisenach dokumentieren die enge Beziehung zwischen Vater und Sohn Cranach und Luther. So vor allem die Ausstellungen im Schillerhaus in Weimar und die Ausstellung auf der Wartburg, wo Luther 1521-22 getarnt als „Junker Jörg“ die Bibel übersetzte.

    Wartburg abends

    Die Wartburg in Eisenach Foto: Wartburg-Stiftung

    Andere wichtige Themenbereiche, wie etwa die Bilder zu biblischen Geschichten wie Judith und Holofernes oder antiken Stoffen, wie Venus und Cupido oder das Paris-Urteil, sind in der Cranach-Ausstellung im Herzoglichen Museum von Schloss Friedenstein in Gotha ebenfalls zu sehen. Mit 23 Cranach-Gemälden und dem nahezu gesamten druckgrafischen Werk besitzt die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha heute den größten Bestand an Cranach-Werken in Thüringen und eine der größten Sammlungen weltweit. Sehr zu empfehlen ist auch das wunderbar gestaltete und hervorragend geschriebene Begleitbuch zur Gothaer Ausstellung mit dem Titel “Bild und Botschaft – Cranach im Dienst von Hof und Reformation”, das vom Museum herausgegeben wurde und 24,95 Euro kostet (das Paket zusammen mit dem Magazin “Lucas Cranach – Hofmaler und Medienstratege” kostet 30 Euro).

    Die meisten der Werke in Gotha kamen bereits 1640 mit Gründung des Herzogtums Sachsen-Gotha nach Friedenstein und schon im 17. Jahrhundert wurden sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Baubeginn der Residenz der Gothaer Herzöge liegt mit 1643 noch im 30-jährigen Krieg. In zwölf Jahren wurde eine monumentale Anlage errichtet, die noch heute das größte frühbarocke Schlossensemble Deutschlands darstellt. Im Schloss sind die originalen historischen Räume zu besichtigen, zu denen auch das hölzerne barocke Theater Ekhof gehört, in dem es im Sommer regelmäßig Aufführungen gibt. Die Kunstkammer enhält Schätze aus Gold, Silber, Edelsteinen und Elfenbein. Südlich schließt sich ein englischer Landschaftsgarten mit Orangerie an die Gebäude an – übrigens der erste englische Garten Deutschlands!

    Schloss Friedenstein - S++dseite - Stiftung Schloss Friedenstein Gotha - Lutz Ebhardt

    Schloss Friedenstein in Gotha

    Nach der aufwendigen Renovierung des Museums in den vergangenen Jahren sind die Bilder nun in einer prächtigen Umgebung und hervorragend dokumentiert zu bewundern. Dazu kann man sich auch noch die große Sammlung an altem Porzellan, asiatischer und ägyptischer Kunst, Skulpturen des großen französischen Bildhauers Jean-Antoine Houdon sowie Bilder von Dürer, Rubens oder C.D. Friedrich ansehen.

    Herzogliches Museum Gotha - Nordseite - Stiftung Schloss Friedenstein Gotha - Lutz Ebhardt 2014 (2)

    Herzogliches Museum Gotha

    Die Ausstellung „Cranach in Weimar“ im Schillermuseum ist noch bis 14. Juni zu sehen – daneben gibt es in Weimar aber natürlich auch den berühmten Cranach-Altar in der Herderkirche zu bestaunen. Infos unter: www.weimar.de/tourismus/kultur-freizeit/themenjahre/cranach-in-weimar-2015/

    Die Ausstellung Bild und Botschaft – Cranach im Dienst von Hof und Reformation“ im Herzoglichen Museum von Schloss Friedenstein in Gotha ist noch bis zum 19. Juli zu sehen. Infos unter: www.stiftungfriedenstein.de/ausstellungen-und-veranstaltungen/cranach-2015

    Die Ausstellung „Die Luther-Porträts der Cranach-Werkstatt“ auf der Wartburg in Eisenach ist ebenfalls bis 19. Juli zu besichtigen. Infos unter: www.cranach2015.de/de/thueringen/wartburg-eisenach/wartburg-in-eisenach

    Infos zu Cranach: www.cranach2015.de

    Weimar-Tourismus bietet eine dreitägige Cranach-Reise mit zwei ÜN in einem 3-Sterne-Hotel in Weimar und Abstechern nach Gotha und Eisenach im DZ für 285 Euro an. Infos unter +49 (0) 36437450

    Infos zu Thüringen: www.thueringen-entdecken.de

    Online-Reisejournal 2015

     

  • Klein-Italien am Fuß der Anden: Auf Weintour durch Argentinien

    weinberg

    Weinberge und Berge

    Rund 900 der 1200 argentinischen Weingüter befinden sich am Rand der Anden, in der Region um die Stadt Mendoza, einem wüstenartigen, sehr regenarmen Gebiet. Die Trauben kamen mit den europäischen Mönchen nach Argentinien – doch Bewässerungstechniken kannte man schon vorher. Rund sechzig Jahre vor den Spaniern drangen die Inkas in die Region vor und bauten ein ausgetüfteltes Kanalsystem. Um 1550 soll in Mendoza dann der erste Weingarten angelegt worden sein. Seither wurde der Weinanbau über die Jahrhunderte ausgebaut. Heute ist die Region das größte und bedeutendste Weinbaugebiet ganz Südamerikas.

    Während bei uns die Weinernte im Oktober abgeschlossen wird, beginnt sie in Argentinien erst im Februar. Und wer sich mit argentinischem Wein beschäftigt, entdeckt schnell weitere Besonderheiten. Spezielle Rebsorten, aber auch besondere Anbaubedingungen geben den argentinischen Weinen ihr charakteristisches Aroma. Im Gegensatz zu den chilenischen Weinen, die zum Großteil exportiert werden, bleiben rund drei Viertel der argentinischen Weine im Lande – schließlich gibt es in dem südamerikanischen Land, das vor allem von Italienern und Spaniern besiedelt wurde, genug Weinfreunde und Weinliebhaber. „Von Investoren, die einfach nur ein Weingut aufkaufen, halte ich gar nichts. Wein ist schließlich in erster Linie eine soziale Aktivität. Weinbau ist dazu da, Freude zu machen. Man trinkt eine gute Flasche Wein schließlich nie alleine“, beteuert José Alberto Zuccardi, der Inhaber des Zuccardi-Weingutes in Maipu bei Mendoza.

    José Alberto Zuccardi

    José Alberto Zuccardi

    Auf verschiedenen Grundstücken im Raum Mendoza baut seine Familie seit über fünfzig Jahren Wein an, darüber hinaus produzieren die Zuccardis auch feines Olivenöl. Obwohl mehr als 300 Mitarbeiter mit anpacken, bleiben die Kernaufgaben in Familienhand. José Albertos Sohn Sebastian ist in den Weinbau längst mit eingestiegen. Sebastian Bruder Miguel leitet die Olivenöl-Sparte. Nicht zu vergessen José Albertos Tochter Julia, nach der die Weinmarke „Santa Julia“ benannt ist. Julia sorgt für die Verbindung von Weinbau und Kunst und für den Ausbau des Weintourismus. Wer das Weingut der Zuccardis besucht, hat deshalb vielfältige Möglichkeiten: Oldtimer- oder Fahrradtouren zwischen den Weinstöcken, ein Ballonflug oder ein Picknick mitten im Weingarten, ein Olivenöl-Tasting oder ein Kochkurs. Die Liste der Aktivitäten, die das Casa del Visitante der Zuccardis in Maipu anbietet, ist lang und äußerst verlockend.

    Und obwohl das Zuccardi-Weingut ohnehin zu den besten Argentiniens gehört, hat man sich ehrgeizige Ziele gesetzt. So experimentiert Sebastian Zuccardi intensiv mit neuen, in Argentinien bislang nicht gebräuchlichen Weinsorten. Und Vater José Alberto will stärker als bisher nicht allein die Weinsorte, sondern vor allem die Eigenheiten des Terroirs kultivieren.

    Malbec heißt der typische Wein der Region

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    Eine Besonderheit des Weins der Region, so berichtet José Alberto Zuccardi, ist, dass die Trauben tagsüber – bei hohen Temperaturen – sehr viel Zucker bilden. Da es nachts deutlich kühler wird, reifen sie jedoch eher langsam. „Mit Wein ist es wie mit dem Menschen, manchmal braucht man Schwierigkeiten, um weiter zu wachsen und um Charakter zu entwickeln“, erklärt José Alberto Zuccardi. Der typischste Wein der Region ist der Malbec. Die schwere, vollmundige Rotweinsorte stammt ursprünglich aus Frankreich, kann am Rande der Anden jedoch ideal angebaut werden. Jedes Weingut im Raum Mendoza hat Malbec-Weine im Angebot, auch das Catena-Weingut in Luján de Cuyo. Sein Hauptgebäude ist einer Maya-Pyramide nachempfunden und wirkt wie ein Wein-Tempel, der neben einer Aussichtsplattform nahe der Pyramidenspitze auch auch ein Wein-Lager und Räume für Weinproben im Sockel der Pyramide umfasst. Wie José Alberto Zuccardi hat auch Nicolás Catena italienische Wurzeln. Sein Großvater Nicola Catena kam 1898 aus den Marken nach Argentinien. Vier Jahre später, im Alter von 22 Jahren, pflanzte er seine ersten Malbec-Reben.

    Ebenso wie José Alberto Zuccardi setzt auch Nicolás Catena konsequent auf Qualität und Innovation. Seine Spezialität sind Chardonnay- und Malbec-Weine, die zum Teil aus Trauben gewonnen werden, die auf fast 1600 Metern Höhe angebaut werden. Sein Cuvée aus dem Jahr 2009, der aus Malbec, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Petit Verdot gewonnen wurde, brachte es im Ranking von Weinguru Robert Parker auf stolze 95 Punkte – und ist damit einer der bestbewerteten argentinischen Rotweine überhaupt. Inspiriert wurde Nicolás Catena durch Weinbau-Erfahrungen in Kalifornien.

    Bei klarem Wetter sieht man die Anden

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    Luján de Cuyo und Maipu, die Orte, wo Zuccardi und Catena zu Hause sind, liegen nördlich von Mendoza. Südöstlich der Stadt Mendoza findet sich das Uco Valley, ein weiteres Top-Weinanbaugebiet der Region. Bei klarem Wetter sieht man dort die schneebedeckten Gipfel der Andenkette, die Argentinien von Chile trennt, zum Greifen nah vor sich. „Es ist ein Privileg, hier in dieser Landschaft zu leben,“ schwärmt Mariano Di Paola, der Kellermeister der Bodega Rutini. Auch dieses Weingut wurde, wie könnte es anders sein, von italienischen Auswanderern gegründet, und zwar 1885 von Felipe Rutini. Familie Rutini hat ihr Weingut zwar im Jahr 1994 verkauft – aber es blieb in argentinischen Händen. Das ehedem kleine Weingut hat sich inzwischen zu einem Big Player entwickelt, der rund acht Millionen Liter pro Jahr produziert. Darunter Tischweine für 13 US-Dollar pro Flasche, aber auch Premiumweine, die 200 bis 250 US-Dollar kosten.

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    Fotos: Rainer Heubeck

    Ein Besuch der Weingüter um Mendoza lässt sich mit Fahrradtouren ebenso kombinieren wie mit Rafting-Ausflügen. Wer die Chance hat, die Region Anfang März zu besuchen, sollte das große Weinlesefest, das Vendimia-Festival, auf keinen Fall verpassen. Und wer edle Weine in Kombination mit kulinarischen Spezialitäten genießen möchte, die von Spitzenköchen aus aller Welt kreiert werden, für den empfiehlt sich das Masters of Food & Wine Festival. Es wird vom Park Hyatt Mendoza alle zwei bis drei Jahre organisiert. Ein Festival, an dem auch zahlreiche Weingüter mitwirken und bei dem die Gourmet-Menüs – stets mit korrespondierenden Weinen – , nicht in steriler Hotelatmosphäre serviert werden, sondern direkt vor Ort im jeweiligen Weingut. Kreiert werden die Mahlzeiten von Gourmet-Köchen aus Buenos Aires oder aus dem Ausland – beispielsweise aus Mexiko, Peru, Brasilien oder Spanien.

    Rainer Heubeck

     

    Infos

    Einreise: Deutsche Staatsangehörige können bis zu 90 Tage als Touristen visafrei einreisen, der Reisepass muss mindestens noch drei Monate gültig sein.

    Anreise: Lufthansa (www.lufthansa.de) fliegt sechsmal wöchentlich nonstop von Frankfurt nach Buenos Aires. Aerolíneas Argentinas (www.aerolineas.com.ar) verkehrt von Madrid bzw. Barcelona nach Buenos Aires (mit Lufthansa-Zubringerflügen aus Deutschland), Iberia fliegt mit Stopp in Madrid nach Buenos Aires (www.iberia.de). Von Buenos Aires nach Mendoza fliegt man circa 90 Minuten, alternativ dazu kann auch über Santiago de Chile angereist werden (zum Beispiel mit Lufthansa oder LAN) – der Flug von dort nach Mendoza dauert nur rund 45 Minuten.

    Währung und Wechselkurs: Die argentinische Währung ist der Peso (ARG). Peso und US-Dollar werden in Argentinien gleich abgekürzt ($), in der Regel ist bei Preisangaben der Peso gemeint. Die Kurse bei Banken, an Geldautomaten und beim Kreditkarteneinsatz sind deutlich schlechter als bei Tausch am Parallelmarkt.

    Klima: Beste Reisezeit sind die Monate von Dezember bis Mai (Sommer und Herbst)

    Auskünfte: Inprotur Argentina, Tel: 0054/11/48501400, info@argentina.travel , www.argentina.travel. Über die Stadt Mendoza und ihre Umgebung informiert www.turismo.mendoza.gov.ar.
    Reiseführer: Lonely Planet Reiseführer Argentinien, 24,99 Euro

    Weingüter:

    Casa del Visitante – Familia Zuccardi
    Ruta Provincial 33, km 7.5, Maipu, Mendoza,
    Tel. +54-261-441000, www.casadelvisitante.com

    Bodega Catena Zapata,
    J. Cobos s/n, Agrelo, Luján de Cuyo, Mendoza,
    Tel./Fax: +54-261-4131100, www.catenawines.com

    Bodega Rutini Wines, Ruta Provincial 89 – S/Nº Kilómetro 10
    Gualtallary, Tupungato, Mendoza, www.rutiniwines.com
    Das Weingut betreibt auch die Bodega La Rural (Montecaseros 2625, Coquimbito, Maipú, Mendoza), Tel. +54-261-4972013 ext. 125, www.bodegalarural.com.ar
    Casarena Winery & Vineyards, Chef Mun, Brandsen 505, Perdriel, Lujan de Cuyo
    Mendoza, Tel. Restaurant: +54 (9261) 691 9732, Tel. Weingut: +54 (9261) 304 1090
    www.chefmun.com, www.casarena.com

    Übernachten:

    Park Hyatt Mendoza, Chile 1124, Mendoza, Tel: +54 261 441 1234, www.mendoza.park.hyatt.com/en/hotel/home.html

    Wein- und Gourmettouren:

    Ampora Wine Tours, Sarmiento 647, Mendoza, Tel. +54-261-429, www.mendozawinetours.com

    Online-Reisejournal 2015

  • Die Kulturhauptstadt Europas 2015 Mons hat viel zu bieten – nicht nur in diesem Jahr

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    Altstadt von Mons mit dem berühmten Belfried

    Mons sei eine schlafende Schönheit, sagt der Leiter des Kulturhauptstadtjahres Mons 2015 Yves Vasseur. Was impliziert, dass er es als seine Pflicht ansieht, die Schlafende in diesem Jahr durch möglichst viele Musenküsse wach zu küssen. Bis vor kurzem war das am westlichen Rand Belgiens gelegene Städtchen (man spricht französisch) den Europäern kaum bekannt, aber das Kulturhauptstadtjahr hat das jetzt schon geändert.

    Auch wenn Mons nur knapp 100.00 Einwohner hat, verfügt es doch über eine ganze Reihe von Weltkulturerbe-Stätten. Wer durch die pittoreske Altstadt schlendert mit ihren hübschen Fassaden, den kleinen palaisartigen Gebäuden und dem prächtigen Hauptplatz, dem Grand-Place, mit seinem gotischen Rathaus und den stattlichen Gebäuden links und rechts daneben, der sieht ausser viel Ansprechendem auch, dass es für Restaurateure noch manches zu tun gibt. Und über allem thront auf einem Hügel, der der Stadt ihren Namen gab (von franz. Mont für Berg), der spektakuläre barocke Glockenturm, der Belfried, mit seinen eigentümlichen kugelförmigen Aufbauten auf der Spitze, die den Schriftsteller Victor Hugo an Teekannen erinnerten.

    Grande Place

    Grand-Place

    Einst war Mons durch den Kohlebergbau in den umliegenden Kohlegruben reich geworden und bildete das wirtschaftliche, politische und kulturelle Zentrum der Region Hainaut (Hennegau). Die Bergbaugegend Borinage unweit von Mons war seit dem 18. Jahrhundert eines der bedeutendsten Steinkohlereviere Europas. Mit dem Ende des Bergbaus in den 1970er Jahren setzte dann der schleichende Niedergang ein.

    Lange hat es gedauert, bis man sich dem Verfall entgegenstellte. Dafür geschah das dann umso vehementer. In der Universitätsstadt setzte und setzt man auf Internetindustrien und fördert im großen Stil Startups. Unter dutzenden Bewerberstädten schaffte es das kleine Mons, die europäische Zentrale von Google hierher zu locken – eine Sensation. Microsoft und andere IT-Unternehmen zogen nach. Auch durch avancierte architektonische Projekte will man deutlich sichtbare Zeichen dafür setzen, dass man im 21. Jahrhundert angekommen ist. Ähnlich wie in Bilbao, verspricht man sich durch spektakuläre Gebäude einen positiven Effekt für die gesamte Stadt.

    Kongresshalle von Daniel Libeskind

    Kongresshalle von Daniel Libeskind

    Aufbruchstimmung durch neue Architektur

    Vor kurzem erst wurde das spektakuläre Kongresszentrum von Daniel Libeskind eröffnet, Santiago Calatrava baut Mons gerade einen neuen Bahnhof. Leider ist davon noch nicht zu viel zu sehen. Die Besucher der europäischen Kulturhauptstadt 2015 müssen über provisorische Metallbrücken und -stege laufen, wenn sie mit dem Zug hier ankommen. Außerdem hat Mons seit kurzem ein neues Theater, das alte Bausubstanz mit Avantgarde verknüpft, und im April wird der neuer Konzertsaal Arsonic eingeweiht, nebst Probenräumen und einer „Chapelle de Silence“, in der Besucher spezielle „Sounds of Silence“ zu hören bekommen werden. Der Saal fasst etwa 250 Besucher und ist der zeitgenössischen Musik gewidmet.

    Und dann werden am 5. April fünf neue Museen in Mons eröffnet. Eines, das den beiden Weltkriegen gewidmet ist, in denen Mons eine wichtige strategische Position markierte, ein Museum für das größte Volks-Spektakel der Stadt, den alljährlich auf der Grande Place zelebrierten Drachenkampf des heiligen Georg, Dodou genannt, und das sogenannte „Mondaneum“, ein Museum für das Weltwissen, das vor über 100 Jahren in Mons gegründet worden war und nun in Verbindung mit der Internettechnologie eine zeitgemäße Wiederauferstehung feiern soll. Zwei weitere widmen sich dem Glockenturm Belfried sowie zeitgenössischer Kunst.

    Es herrscht unübersehbar Aufbruchsstimmung in Mons, was durch das Kulturhauptstadtjahr noch verstärkt wird. Und durch die Übernahme des Bürgermeisteramts durch den ehemaligen Belgischen Premieres Elio di Rupo, der viele Projekte angestoßen hat. Mons sei eine Stadt im Wandel, betont denn auch Johan Vreys vom Organisationsbüro des Kulturhauptstadtjahres Mons 2015. „Als wir uns beworben haben als Kulturhauptstadt, haben wir nicht vorgegeben, eine Hauptstadt zu sein. Aber wir sind eine Stadt, die in Kultur investieren will für ihre eigene Entwicklung, und wir denken, dass Kultur und kreative Industrien eine Stadt beleben und ihr eine Zukunft geben können. Und deshalb investieren wir in ein neues Musikzentrum, neue Museen, arbeiten wir mit zeitgenössischen Künstlern zusammen, die Kunst auch auf die Straße bringen. Und die Idee ist, etwas zu starten, um es für die nächsten Jahre für die Stadt nutzen zu können.“

    Van Gogh: Die Lastenträger Vincent van Gogh, Les becheurs, Collectie Stedelijk Museum Amsterdam © Collectie Stedelijk Museum Amsterdam

    Van Gogh: Die Lastenträger (Les becheurs), © Collectie Stedelijk Museum Amsterdam

    Wo Van Gogh zum Maler wurde

    Eine der wichtigsten Kulturhauptstadt-Attraktionen ist die bis zum 17. Mai zu sehende große Van-Gogh-Ausstellung „Van Gogh in the Borinage“ im Museum der Schönen Künste (BAM), einem ansprechenden neuen Gebäude mit viel Glas und weiß bemaltem Stahl, das aber eher charmant als kühl wirkt. In Mons, genauer gesagt in der Bergbaugegend unweit der Stadt wurde Van Gogh zum Maler. Heute beherbert die die historische Bergwerkstätte „Le Grand Hornu“ (die Anlage aus dem frühen 19. Jahrhundert zählt zum Weltkulturerbe) ein spektakuläres Kunst- und Design-Museum – auch das ein Zeichen für den Aufbruchsgeist und den Wandel der gesamten Region.
    Van Gogh war als christlicher Prediger in diese Gegend gelangt und vom kargen und entbehrungsreichen Leben der Bergarbeiterfamilien im ausgehenden 19. Jahrhundert so beeindruckt, dass er die Menschen nicht nur mit Geld und Kleidung beschenkte, sondern auch damit begann, sie zu zeichnen. Knapp zwei Jahre lebte Van Gogh in der Borinage. Die in der Ausstellung zu sehenden Kohlezeichnungen von Arbeitern beim Kartoffelklauben, Säckeschleppen oder beim abendlichen Essen in ihren armseligen Hütten sind von großer Ausdruckskraft beseelt, ohne im Mindesten betulich zu wirken. Ihnen wohnt eine Tiefe und Aufrichtigkeit inne, die den Betrachter unmittelbar in ihren Bann zieht. Van Gogh war diesen armen, leidgeprüften Menschen sehr nah, das spürt man in diesen Arbeiten der frühen 1880er Jahre. Der Maler lebte wie sie ein karges Leben, respektierte und – ja – bewunderte sie für ihre Duldsamkeit und Genügsamkeit. All das ist in diesen wenig bekannten frühen Werken zu sehen und zu spüren.

    Van Gogh-Haus

    Van Gogh-Haus

    Auch der Schritt von den Zeichnungen zu den Ölbildern wird in dieser rund 70 Werke umfassenden Ausstellung mit Exponaten aus der ganzen Welt anschaulich, dazu sind auch einige der berühmten Briefe an seinen für ihn so wichtigen Bruder Theo zu sehen, in denen Van Gogh sich als unermüdlich Lernender offenbart. Mit der Verwendung der Farbe gelangt auch etwas mehr Freundlichkeit in die Bilder Van Goghs. Dennoch verlieren vor allem die Personenporträts nichts von ihrer Expressivität, entwickelt er doch schon sehr früh seinen charakteristischen Pinselstrich mit den dynamisch geschwungenen Linien. Man erkennt in diesen Bildern auch, wie nah Van Goghs bereits in den 1880er Jahren an den Expressionismus heranreichte.

    Der bedeutendste Sohn der Stadt: Orlando di Lasso

    Der berühmteste Künstler-Sohn der Stadt ist jedoch, weil er hier auch geboren wurde, der Renaissance-Komponist Orlando di Lasso (1532-1594), oder wie er in Mons hieß und heißt: Roland de Lassus. Wenig bekannt sind die belgischen Wurzeln eines der bedeutendsten Musiker der Renaissance, der 30 Jahre lang am Münchner Hof gewirkt hat. Aber auch in Mons hält sich das Wissen über Roland de Lassus in Grenzen. Was man im Kulturhauptstadtjahr ändern möchte, wie Johan Vreys vom Organisationsbüro Mons 2015 erzählt. „Im Oktober wird es eine spezielle Lasso-Woche mit vielen Events rund um ihn geben, weil wir glauben, dass er einem größeren Publikum bekannt gemacht werden sollte und nicht nur den Musikkennern.“

    So steht am 4. Oktober die Uraufführung eines Auftragswerks für rund 700 Chorsängerinnen und -sänger des Komponisten Jean-Paul Dessy als Open-Air-Spektakel auf dem Programm. Daneben gibt es mehrere Konzerte in der Kirche Saint Nicola en Avré, in der Lasso als Chorknabe gesungen hat, und die nach 20jähriger Renovierung jetzt wieder zugänglich ist, oder ein Pub-Konzert, bei dem verschiedene Ensembles mit Lasso-Musik durch Cafés und Gaststätten der pittoresken Altstadt von Mons ziehen, um den Menschen die Musik Lassos bekannt zu machen.

    Denkmal für Roland de Lassus

    Denkmal für Roland de Lassus

    Wer Mons besucht, wird sich vielleicht wundern, dass die Stadt ihrem berühmtesten Künstler keine Statue gewidmet hat. Nur drei singenden Knaben aus Bronze erinnern an die Anfänge von Orlando di Lasso als Sängerknabe in dieser Stadt. In der Ausstellung Mons Superstars, die berühmten Persönlichkeiten der Stadt gewidmet ist, erfährt der Besucher den Grund dafür. Ursprünglich gab es nämlich sehr wohl eine große Lasso-Skulptur in Mons. Diese wurde jedoch von deutschen Soldaten während des Ersten Weltkriegs für Kanonen eingeschmolzen.

    Robert Jungwirth

    Über das Programm von Mons 2015 kann man sich unter der Adresse: www.mons2015.eu informieren.

    Übernachten kann man in Mons zum Beispiel sehr zentral in einer vor kurzem zum Hotel umgebauten Kirche. Einige Zimmer verfügen über wunderbare farbige Kirchenfenster.

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    Dream Hotel Mons

    Hotel Dream, www.dream-mons.be/fr

     

     

     

  • Berghütten mit Noblesse – neue Hotels in Crans-Montana im Wallis

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    Chetzeron Hotel

    (Januar 2014) Der Weg nach Crans-Montana ist steil. 12 Minuten braucht die Standseilbahn Funiculaire von Sierre für die etwa 900 Höhenmeter auf das auf 1400 Meter gelegene Hochplateau. Dort haben sich die beiden Orte Crans und Montana zu einem Ort zusammengeschlossen. Verheißungsvoll weiß leuchten die Gipfel von unten. In Sierre im Rhone-Tal liegt derzeit kaum Schnee. Zunächst fährt die Funiculaire erst einmal durch Weinberge. Nicht gerade ein gewohnter Anblick für Winterurlauber. Der Chardonnay, den man hier anbaut, ist jedenfalls hervorragend, wie sich beim Abendessen herausstellt. Oben angelangt, präsentiert sich das von der Sonne beschienene Bergpanorama so eindrucksvoll, wie man es sich von unten vorgestellt hat, vielleicht sogar noch ein wenig eindrucksvoller. An die 200 Kilometer reihen sich hier 3000er und 4000er-Gipfel an Gipfel, vorausgesetzt die Sonne tut das ihre dazu. Darunter das 4500 Meter hohe Weisshorn, der 4357 Meter hohe Dent Blanche oder auch das Matterhorn mit seinen 4478 Metern. Ganz im Westen erhebt sich das Massiv des Mont Blanc bis 4810 Meter.

    Die Hauptblickrichtung von Crans-Montana aus ist gegen Süden über das nahezu unsichtbare Rhonetal hinweg. Und je weiter man noch nach oben fährt, desto imposanter wird der Ausblick; weshalb sich die Hotelpreise auch etwas nach Höhenmetern staffeln.

    In den vergangenen Jahren sind in Crans-Montana einige neue, bzw. renovierte Hotels hinzugekommen, die das ohnehin nicht gerade kleine Angebot (neben den zahlreichen Ferienwohnungen und -häusern) zweifellos bereichern. Vor allem legt man im Gegensatz zu anderen touristischen Destinationen in den Alpen hier viel Wert auf traditionelle Bauweisen, das heißt, man verwendet viel Holz und Stein. Selbst und gerade die Spitzenhotels von Crans-Montana sehen deshalb ein wenig aus wie große Almhütten – sehr noble versteht sich. Das Guarda Golf ist so ein Hotel. Golf deshalb, weil es direkt an einem der beiden Golfplätze des Ortes liegt. Crans-Montana, das im Winter Skifahrer anzieht, lockt im Sommer viele Golfer an. Nicht nur beim berühmten Omega European Golf Masters im September. Die beiden Plätze sind die höchstgelegenen Europas – der Ausblick auf die Berge tut das seinige, um das Golferlebnis hier zu einem besonderen zu machen.

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    Hotel Guarda Golf

    Das Guarda Golf ist ein Fünf-Sterne-Haus mit 24 Zimmern und Suiten, das bei aller damit verbundenen Perfektion und Professionalität des Services geradezu familiären Charme verströmt. Von dem schweizerisch-brasilianischen Ehepaar Felli vor fünf Jahren eröffnet und von ihm selbst liebevoll eingerichtet, erkennt man viel Sorgfalt im Detail, verbunden mit einem geschmackvollen weltläufigen Stil. Sehr chic ist der großzügige SPA-Bereich geraten mit edlen Materialien und phantastischer Beleuchtung. Der junge Hoteldirektor Simon Schenk, der das Haus seit einem knappen Jahr führt, setzt die persönliche Linie der Gründer geschickt fort. Man fühlt sich wohl an diesem Ort von Anfang an. Dazu tragen auch die kulinarischen Highlights des ebenfalls noch jungen Chefkochs Ronan Gaillard bei. Eine feine, kreative und geschmackvolle Küche bietet Gaillard, der sich über 14 Punkte im GaultMillau-Ranking freuen kann.

    Veršffentlichung nur gegen Honorar und Namensnennung

    Hotel Guarda Golf

    Viele der besten Köche in Crans-Montana kommen aus Frankreich. Dass in diesem Teil des Wallis französisch gesprochen wird, erleichtert den kulinarischen Brückenschlag offensichtlich. Auf gleichem Niveau wie Gaillard kocht im Le Crans, das ebenfalls vor ein paar Jahren eröffnet wurde, Pierre Crepaud. Dazu kommt im Le Crans-Restaurant noch der sensationelle Panoramablick auf die umliegenden Gipfel. Das Le Crans ist ebenfalls ein fünf Sterne-Haus mit jeweils gänzlich unterschiedlich eingerichteten sieben Zimmern und acht Suiten, inspiriert von berühmten Gebirgsregionen dieser Erde, wie dem Ural, den Rocky Mountains, dem Himalaya usw.

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    Hotel LeCrans Foto: Olivier Currat

    Wer es ein wenig zurückhaltender modern mag, der ist vielleicht im Crans Ambassador gut aufgehoben, ebenfalls ein Fünf-Sterne-Haus, wenngleich die Zimmer trotz beachtlicher Preise relativ klein sind. Und das, obwohl das Haus über nicht weniger als 1200 Zimmer verfügt.

    Das vielleicht spektakulärste Haus in oder besser über Crans-Montana hat gerade erst eröffnet, das Chetzeron. Der Schweizer Sami Lamaa hat eine ehemalige Gondelstation auf 2112 Meter Höhe in ein stylishes Refugium verwandelt, das aber dennoch nicht abgehoben wirkt. Böden und Möbel wurden aus Eichenholz der Umgebung von ortsansässigen Handwerkern gefertigt, die Steinarchitektur lässt das Haus von außen noch immer ein wenig wie eine Bergstation aussehen. Ihren Charme offenbaren das 16 Zimmer bietende Hotel und das Restaurant, das auch Tagestouristen einen angenehmen Aufenthalt zum Essen und Trinken bietet, erst aus der Nähe. Die Sonnenterrasse mit fantastischem Bergblick möchte man gar nicht mehr verlassen. In der Lobby kamen früher die Gondeln an, weshalb sich der Raum über zwei Etagen erstreckt. Lamaa hat die Struktur des Gebäudes bewusst erhalten.

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    Chetzeron Hotel

    Selbstverständlich kann man in Crans-Montana hervorragend Skifahren, es gibt zahlreiche Lifte und Bergbahnen bis zu einer Höhe von 3000 Metern, aber man muss nicht zwangsläufig auf zwei Brettern unterwegs sein. Man kann sich auch Schneeschuhe anschnallen und durch die verschneiten Höhen stapfen, was ebenfalls sehr zu empfehlen ist, wenn nicht gerade ein Schneesturm über die Berge pfeift, wie in unserem Fall, und man nicht mehr weiß, wo links und rechts ist.

    In jedem Fall bietet Crans-Montana abseits vom Massentourismus für gehobene Ansprüche ein sicher nicht ganz billiges, dafür aber sehr lohnendes Bergerlebnis. Und wenn das Wetter mal tatsächlich zu schlecht für outdoor sein sollte und man auch keine Lust auf Sauna und Wellness hat, ist der Besuch des neuen Kunstmuseums Fondation Pierre Arnaud im Ortsteil Lans sehr zu empfehlen. Die Stiftung des Kunstsammlers Pierre Arnaud stellte im vergangenen Jahr nicht nur einen phantastischen neuen Museumsbau in den kleinen Ort mit wunderbarem Ausblick, sie sorgt auch für hervorragende Ausstellungen auf höchstem Niveau, wie die noch bis zum 19. April zu sehende Ausstellung „Realismus – Symphonie der Gegensätze“. Realistische Kunst von schweizer Malern wird mit Werken von Künstlern aus Frankreich, Russland oder Deutschland, wie z.B. von Grosz, Dix oder Beckmann in einen beziehungsreichen Dialog gebracht. Dafür hat die Stiftung mit großem Aufwand zahlreiche Gemälde aus privatem Besitz und Leihgaben von europäischen Museen von Rang zusammengetragen.
    Rund 100 Gemälde, gruppiert in sechs thematische Abteilungen, reflektieren das Thema Realismus in der Kunst auf vielfältige Weise, stellen verschiedene Sprachen des Realismus’ gegeneinander und fragen, inwieweit es eine „realistische“ Malerei überhaupt geben kann. Eine unbedingt sehenswerte Ausstellung, jedem Besucher von Crans-Montana und Umgebung zu empfehlen.

    Robert Jungwirth

    Service-Angebot: Pro Übernachtung in einem Hotel in Crans-Montana gibt es eine Tageskarte für den Skilift gratis. Das Angebot gilt vom 15.3.-19.4.2015 für jede Übernachtung in einem Partner-Hotel oder –Appartement. Infos unter: www.crans-montana.ch/offresspecialescm

    Weitere Informationen:

    www.crans-montana.ch
    www.guardagolf.com
    www.lecrans.com
    www.chetzeron.ch

    Online-Reisejournal 2015

     

  • Mit Farbe und Phantasie: Die Auferstehung der chilenischen Hafenstadt Valparaiso

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    Die Hänge von Valparaiso

    Was wäre, wenn Friedensreich Hundertwasser nicht nur Häuser, sondern eine ganze Stadt gebaut hätte? Für den Chilenen Gonzales, der Tag für Tag Gäste durch das Haus Pablo Nerudas führt, des berühmten chilenischen Schriftstellers, der 1971 den Literaturnobelpreis erhalten hat, ist es keine Frage – sie sähe aus wie Valparaiso.

    Warum wie Valparaiso? Eine 300.000-Einwohner-Stadt, die auf mehr als vierzig Hügeln angelegt ist und in der sich viele Häuser finden, die außen mit Wellblech verkleidet sind – ein Material, das früher als Schiffsballast den Weg in die Stadt fand und das in den hellsten und grellsten Farben, die man sich vorstellen kann, angestrichen ist. Die Altstadt von Valparaiso, mit ihren bunten Häusern, die an steilen Hügeln kleben und zum Teil wirken wie Spielzeughäuser, hat etwas Pittoreskes. Vielfach wird erzählt, dass die Einwohner die Blechfassaden mit übrig gebliebener Schiffsfarbe gestrichen haben – und dass dadurch das Kunterbunt der Siedlungen auf den Hügeln zu erklären ist. Wie auf dem Cerro Alegre, dem Cerro Concepción oder dem Cerro Bellavista. Doch das ist vermutlich eine Legende. Denn die bunten Häuser, aber auch die faszinierende Graffitikultur in der Stadt, breiteten sich erst seit dem Jahr 1990 so richtig aus.

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    Die Straßen von Valparaiso

    Eine Stiftung, welche die Stadtentwicklung in der chronisch klammen Hafenstadt unterstützen wollte, setzte auf Open Air Kunst. Sie bot zwanzig Künstlern die Möglichkeit, Häuser und Wände zu gestalten. „Cielo Abierto“ – offener Himmel – so hieß das Projekt, das eine Initiative von Kunststudenten aufgriff, die bereits 1969 damit begonnen hatten, sich der Wände der Hafenstadt zu bemächtigen. Die zweite Generation der Maler und Sprayer wurden zu Beginn der 90er Jahre eingeladen, Straßen, Mauern und Treppen auf dem Cerro Bellavista zu verzieren, insbesondere die Gassen zwischen der Calle Ferrari und dem Plaza Victoria. Unter ihnen waren Künstler wie Garcia Barrios, Roberto Matta und José Balmes. Eine Initiative, die zahlreiche Nachahmer fand – auch Wohnhäuser und Autowerkstätten, Jugendherbergen und Cafés in Valparaiso schmücken sich heute mit Graffiti.

    Street Art hat in Valparaiso wenig mit Schmiererei und viel mit Kunst zu tun. Wobei die Graffiti-Kultur in Valparaiso auch Zeiten erlebte, in denen sie keineswegs offiziell gefördert wurde, sondern ein Zeichen des Widerstands war. Nach dem Militärputsch in Chile im Jahr 1971 waren die Medien von der Pinochet-Junta kontrolliert und wurden zensiert. Das heimliche Anbringen von Graffiti war eine Möglichkeit, Protest gegen die Regierung in die Welt zu schreien. Diese Zeiten sind gottlob vorbei – und Graffiti ist in Valparaiso inzwischen so anerkannt, dass es der Stadtverwaltung längst nicht mehr darum geht, sie zu bekämpfen. Sondern darum, sie zu fördern und zu steuern. Denn die Graffiti in Valparaiso sind längst eine Touristenattraktion.

    Mehrmals pro Woche organisieren junge Chilenen eine Graffiti Street Art Tour, bei der Graffiti-Highlights besucht werden, die von Szene-Größen wie Cekis, Horate, Grin, Saile, Inti, Chaquipunk, LRM, Fisek oder UnKolorDistinto erstellt wurden. Während der mehrstündigen Tour, so beteuern die Veranstalter, seien mehr als 200 Graffiti zu bewundern. Mit einigen der aktivsten Sprayer treffen sich die Graffiti-Spaziergänger auch zum Plausch. Graffiti hat schließlich die unterschiedlichsten Facetten. Es gibt Cartoons und comicähnliche Wandmalereien, abstrakte Bilder und surrealistische Werke. Wandbilder mit dicken Rändern und einfachen Farben haben oft politischen Hintergrund, sie waren einst ein Markenzeichen kommunistischer Künstler im Widerstand gegen Pinochet. Ebenfalls politisch inspiriert ist die Grafittiform Pixacao.

    Ihre Wurzeln liegen bei brasilianischen Künstlern, die gegen die sozialen Gegensätze in ihrer Gesellschaft ansprayten. Sie unternahmen halsbrecherische Aufstiege, um ihre Botschaften an besonders exponierten Stellen zu platzieren. Daneben gibt es Throw-ups, aufgeblasene Buchstaben, die zu Worten oder kurzen Sätzen geformt sind. Sind die Buchstaben so groß, dass die Wand komplett von ihnen bedeckt ist, spricht man von Blockbustern. Wem es nicht reicht, bemalte Wände, Mauern und Treppen und die wichtigsten Graffiti-Spielarten kennen zu lernen, der hat die Möglichkeit, bei einer nächtlichen Aktivtour selbst Hand anzulegen. In drei Stunden zum Künstler, so lautete das Motto der Graffiti-Aktiv-Tour. Spraydose und Schutzhandschuhe sind ebenso inklusive wie die Anleitung durch einen erfahrenen Sprayer.

    Doch der Reiz Valparaiso entsteht nicht allein aus den bunten Häusern und aus den allgegenwärtigen Graffiti. Die Stadt, die so schön ist, dass einem davon schwindlig werden kann, hat einen speziellen Zauber. Dieser entsteht aus ihrer Topographie, rührt aber auch daher, dass die Entwicklung in Valparaiso vor 100 Jahren fast stehen geblieben ist. Das lag am Ende des Salpeterbooms – eine Folge der Patentierung des Kunstsalpeters um das Jahr 1910 herum. Und mehr noch am Bau des Panamakanals im Jahr 1914. Im 19. Jahrhundert, vor dem Bau des Kanals, war Valparaiso der erste große Hafen nach der Umsegelung von Kap Hoorn. San Francisco und Valparaiso waren damals die beiden wichtigsten Häfen an der Westküste Südamerikas. Damit war es nach dem Bau des Kanals schlagartig vorbei.

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    An manchen Ecken der Stadt scheint die Zeit still zu stehen

    Die auf mehr als vierzig Hügeln angelegte Stadt, die nach einem Tsunami und einem Erdbeben im August 1906 gerade erst neu aufgebaut worden war, verfiel in eine Art Dornröschenschlaf. Valparaiso, eine Stadt, in der es vielerorts Treppen statt Straßen gibt und in der früher mehrere Dutzend Aufzüge von den unteren zu den oberen Stadtvierteln führten, verlor rasch an Bedeutung. Was den Vorteil hatte, dass vieles erhalten geblieben ist, weil das Geld für neue Projekte fehlte. Während Santiago de Chile geradezu explodierte und zu einer Sechs-Millionen-Einwohner-Metropole heranwuchs, stagnierte Valparaiso. Bis kurz nach dem Ende der Militärdiktatur mit dem Projekt „Cielo Abierto“ ein neues Selbstbewusstsein in der Stadt erwachte. Die Häuser wurden bunter und gepflegter, die ersten Hostels öffneten ihre Pforten.

    Im Jahr 2003 dann schließlich der Paukenschlag: Die Anerkennung Valparaisos als UNESCO–Weltkulturerbe. Damit setzte in der Hafenstadt ein Immobilienboom ein, bei dem manch einem schwindlig wird. Boutiquehotels und Edelrestaurants profitieren von der Neugierde der Besucher auf bunte Häuser, steile Treppen und verwegene Graffiti. Die traumhafte Lage der Stadt, die Besucher an San Francisco, Lissabon oder Salvador de Bahia erinnert, der Hafen, die gewaltigen Schiffe in der Bucht, die altmodischen Aufzüge, von denen 15 erhalten, aber derzeit nur vier in Betrieb sind, die Hügel voll bunter Häuser: All dies lässt sich in Valparaiso nicht nur in real erleben – es ist auch das Hauptmotiv vieler Wandmalereien, mit denen sich die zu neuem Leben erwachte Stadt inzwischen selbst feiert. Was für eine phantastische Wiederauferstehung!

    Rainer Heubeck

    Infos

    Anreise: LAN Airlines fliegt von Frankfurt über Madrid nach Santiago de Chile (www.lan.com, Tel. 0800/5600751).Eine Bus- oder Taxifahrt von Santiago nach Valparaiso dauert circa 90 Minuten.

    Infos zu Chile:

    Chilenisches Generalkonsulat / Prochile, Birgit Uthmann, Tel. 040 335835, Mail:
    birgit.uthmann@prochile-hamburg.de, www.chile.travel

    Infos zu Valparaiso:
    http://www.ciudaddevalparaiso.cl
    http://valparaisodecoleccion.blogspot.de/

    Graffititouren durch Valparaiso:
    http://graffiti.tourguideschile.com

    Deutschsprachige Führungen durch Valparaiso:
    http://www.myvalparaiso.cl

    Beste Reisezeit: Oktober bis April

    Online-Reisejournal 2015

  • Musik und Dublin sind Synonyme

    altan flach

    Altan


    Dublin ist eine Musikstadt. Weniger für Oper und klassische Konzerte, dafür für eine lebendige Auseinandersetzung mit der traditionellen irischen Musik in allen Spielarten
    .

    Zentrum der Dubliner Musikszene ist die Temple-Bar-Street in der Dubliner Innenstadt. Sie trägt ihren Namen zu Recht. Hier gibt es zahlreiche Tempel des Biers und der Musik. Und beides ist hier untrennbar miteinander verbunden. Bier, Weib und Gesang oder auch nur Bier und Gesang. Dabei hat der Name Temple eigentlich gar nichts mit Tempeln zu tun, sondern geht zurück auf eine Famillie dieses Namens, die hier einst gelebt und sich allgemeines Ansehen erworben hat.

    Jeden Abend kann man hier in beinahe jedem der zahllosen Pubs Live-Musik erleben. Die Kneipen sind nicht nur für die Besucher eine Attraktion, sondern bieten auch den hiesigen Nachwuchsmusikern beste Erprobungsmöglichkeiten. Wer es hier schafft, sein Publikum über zwei Stunden lang bei der Stange zu halten, hat sich für Höheres bewährt. Die „Dubliners“, die bis heute berühmtesten Irish-Folk-Musiker, gaben Anfang der 60er Jahre im O’Donoghues ihre ersten Konzerte. Zwei der Bandmitglieder sind mittlerweile gestorben, die verbliebenen treten noch immer regelmäßig auf. Im November touren sie wieder durch Deutschland (www.lb-events.de).

    Und auch U2 hat in den Pubs von Dublin begonnen. Eine sw-Fotographie zeigt die blutjungen Musiker in einem Dubliner Pub in den frühen 70er Jahren. Sehen kann man das Foto im „Little Museum“, einem Kuriositätenkabinett an Museum, beherbergt es doch Fotos, Gegenstände, Dokumente von Dubliner Bürgern, die sie dem Museum zur Verfügung gestellt haben. Voraussetzung für eine Aufnahme im Museum: das Exponat sollte etwas mit der Geschichte Dublins zu tun haben. Ein Besuch dieses sympathischen Museums ist in jedem Fall empfehlenswert.

    Wie sehr die irische Musikkultur in der Bevölkerung verankert ist, kann man erfahren, wenn man zum Beispiel den Piper’s Club in der Henrietta Street  besucht. Der Verein unterstützt Interessenten, die den traditionellen irischen Dudelsack, die Uilleann Pipes, lernen wollen. Und davon gibt es jede Menge, nicht nur in Irland, sondern auf der ganzen Welt, wie der Leiter der Einrichtung Gerry Lyons stolz berichtet. Eigentlich kann man bei den Uilleann Pipes gar nicht von einem Dudelsack sprechen, denn zum einen wird in ihn nicht hineingeblasen, sondern die Luft per Armdruck durch die Pfeifen gepresst und zum anderen sind es im Gegensatz zum schottischen Dudelsack nicht nur zwei sondern mehrere Töne, die man darauf gleichzeitig spielen kann. So klingt das eigenartige Instrument fast wie eine Orgel, wenn man mehrstimmig auf ihm spielt.

    Uilleann Pipes, die irische Blockflöte, die Penny-Whistle oder auch Tin Whistle, die Violine, Fiddel genannt, und die Gitarre, das sind die traditionellen Instrumente der irischen Folk-Music. Fast jedes Kind auf der Insel kommt mit einem von ihnen fast automatisch in Berührung. Es gehört buchstäblich zum guten Ton nicht nur der wohlhabenderen irischen Familien, ihrem Nachwuchs eine musikalische Ausbildung zuteilwerden zu lassen. Deshalb sind die Iren ein so musikalisches Volk. Musikalische Traditionen sind wichtig, aber man ist nicht dogmatisch. Die Übergänge von Folk zu Pop sind fließend, wie man bei Besuchen von Pubs mit Livemusik schnell feststellen wird. Erlaubt ist, was gefällt. Die traditionelle Musik aber bildet fast immer die Basis.

    Eleanor McEvoy enger

    Eleanor McEvoy

    Auch für die aus Dublin stammende Sängerin Eleanor McEvoy, gerade eine der vielversprechendsten Singersongwriter der Insel. McEvoy hat nicht nur eine wunderbare, dunkel timbrierte ausdruckstarke Stimme, sie begleitet sich selbst auf der Gitarre mit wunderbar erdigem Groove. In Deutschland ist die Sängerin bislang noch so weitgehend unbekannt, was sich vermutlich bald ändern wird.

    Nachwuchsmusiker und etablierte Größen der irischen Musikszene kann man zum Beispiel beim alljährlich Ende Januar stattfindenden Temple Bar Trad in Dublin hören. Seit 2004 gibt es das TradFest, bei dem innerhalb von fünf Tagen eine Auswahl von Irlands besten Musikern in den Pubs der Hauptstadt sowie in kleineren oder mittleren Konzertsälen aufritt. Eine schöne Einrichtung, zumal der Januar auf der Insel um einiges milder ist als auf dem Kontinent und der nächtliche Kneipenbummel von daher nicht allzu frisch wird.
    Auch „Stockton’s Wing“ oder „Altan“, zwei weitere hervorragende irische Bands, die spielerisch mit den traditionellen musikalischen Wurzeln umgehen und ihre eigenen Wege gefunden haben, daraus etwas Eigenes, Neues zu schaffen, waren beim TradFest schon zu hören. Das Festival, bei dem man eine große Bandbreite an unterschiedlichen Spielarten irischer Folk- und Popmusik erleben kann, hat sich im Lauf seines Bestehens zu einem Besuchermagneten für ein internationales Publikum entwickelt. Wer eine Alternative zum Skiurlaub sucht – hier ist sie!

    Robert Jungwirth

    Online-Reisejournal 2015

  • Streifzüge durch Paris – Coup de Cœur Paris

    Es ist dieser leichte Duft von Zigarren, der blaue Himmel und der Spatz, der sich ein Stückchen Croissant vom Tisch stibitzt. Und es ist Madame, die ihre langen braunen Haare nach hinten wirft und in wippendem Schritt mit großer Tasche und XL-Sonnenbrille über das Trottoir schlendert. Und es ist auch Monsieur, der morgens bei einem kleinen Schwarzen den „Figaro“ im Café liest. Paris ist lässig, unkompliziert und voller Charme – und ja die Stadt der Liebe. Nirgendwo sonst sieht man so viele Paare in aller Ruhe gemeinsam Hand in Hand zur Metro schlendern. Aber es gibt noch mehr gute Gründe für einen Abstecher in die französische Metropole.

    Laden im Marais

    Laden im Marais

    Shoppen im Marais

    Kein Parisbesuch ohne einen Spaziergang durch das Marais: Wer es sich leisten kann, bucht das Hotel Duo gleich in der Nähe von Nôtre Dame (Doppelzimmer in der Hochsaison bis Ende Oktober ab 290 Euro). Von hier aus kann jede Tour beginnen. An der Ecke Rue des Francs Bourgeois/ Rue Vieille du Temple finden sich bezahlbare Läden mit außergewöhnlichen Designteilen wie beispielsweise Sandro.

    Unbedingtes Must-Stop: Der Schuhladen Mellow Yellow mit Schuh- und Taschenmodellen, die sexy und kein bisschen Mainstream sind. Einige Läden sind von der Zeitschrift ELLE mit dem Sticker „Coup de Coeur“ (außergewöhnlich empfehlenswert) ausgezeichnet – als Qualitätssiegel. Etwas weiter die Rue Vielle du Temple hinunter in Richtung Rue de Rivoli finden sich in der Seitenstraße Rue des Rosiers Falafelläden, eine Secondhand-Boutique und noch ein exquisiter Shop: L’Eclaireur. Die Sachen sind schick und „haute de gamme“ – am oberen Ende der Fahnenstange, was Ausgaben für Klamotten betrifft – angesiedelt.

    Métro: Hôtel de Ville

    Hotel: www.duoparis.com, 11 Rue du Temple;

    Shops : Mellow Yellow : 43, Rue des Francs Bourgois;
    Sandro : 50, Rue Vielle du temple;
    L’Eclaireur: Rue de Rosiers;
    Vintage-Boutique: Desire, 32, Rue des Rosiers ;

    Café und Falafelshop : Les Philosophes, 28 Rue Vielle du temple;
    weiteres schönes Café im Quartier: Chez Marianne, 2, Rue des Hospitalières Saint Gervais.

    Ausgehen an der Bastille

    Paris bei Nacht ist genauso vielseitig wie am Tag. Momentan angesagt ist das Viertel rund um die Place de la Bastille. Wir biegen in die Rue de Lappe ein: Hier finden sich unzählige kleine Creperien, Tapaslokale und Cocktailbars – und auch der letzte Musette-Tanzpalast von Paris, 1936 gegründet und noch wie damals eingerichtet: Im Balajo, das jetzt eine Disko ist, wird wie zu Zeiten von Edith Piaf manchmal noch zu Akkordeonklängen Musettewalzer getanzt und zum Cha Cha aufgefordert.
    Wer es moderner mag, geht ein paar Straßen weiter in den In-Club La Scene Bastille. Hier legt ein DJ ab Mitternacht alle Musikarten von House bis Techno auf (Métro: Bastille).

    Hotel im Ausgehviertel: Standard Design Hotel, 29, Rue des Taillandiers, www.standard-hotel.com, Doppelzimmer ab 120 Euro.

    Clubs: Le Balajo, 9, Rue de Lappe

    La Scene Bastille, 2, Rue des Taillandiers, www.la-scene.com

    Le Baron: neue Adresse mit Tanz bis in den Morgen, 6, ave Marceau, www.clublebaron.com, Métro: Alma

    Für Jazzfans: Le Duc des Lombards, 42, Rue des Lombards, www.ducdeslombards.fr, Métro: Châtelet

    Café Les Deux Magots

    Kultur und Café in Saint Germain des Prés

    Morgens kann man es in Paris auch ganz vornehm angehen lassen. Zigarrenduft liegt im sechsten Arrondissement in Saint Germain des Prés in der Luft. Dort, wo sich einst die Existenzialisten Simone de Beauvoir und Jean Paul Sartre zum Diskutieren trafen, kann man heute ein Frühstück in der Sonne genießen: Das Café „Les Deux Magots“ gehört immer noch zu den schönsten Cafés von Paris. Es wird nicht nur von Touristen besucht: Ein Bisou, das traditionelle Begrüßungsküsschen, bekommen hier auch jüngere Damen von älteren Herren.
    An den Café Crème und das Croissant, wofür man hier allerdings 8 Euro bezahlen muss, sollte sich ein Spaziergang durch Saint-Germain anschließen: Gleich gegenüber des „Deux Magots“ liegt die älteste der großen Kirchen von Paris, Saint-Germain-des Prés, nach der auch das Viertel benannt ist. Sie geht bis auf das 6.Jahrhundert zurück. Im Garten des dazugehörigen Klosters steht die Büste Apollinaires, die Picasso 1959 für seinen Dichterfreund schuf.

    Durch die Rue de l’Abbaye gelangt man links am Musée National E. Delacroix vorbei in die Rue Jacob mit edlen Galerien, Antiquitätengeschäfte und Buchläden. Hier lebten einst Gertrude Stein und Picasso, der 1937 einen Stadtpalast in der Rue des Grands Augustins bewohnte. Zum Standartoutfit gehört in diesem Quartier die Hermès-Kellybag, die Madame mitsamt Hündchen am Arm spazieren führt. In der Rue Bonaparte befindet sich eines der fünf Geschäfte des besten Chocolatiers von Paris: La Durée. Die kleine Törtchen und Pralinen sind eine Augenweide.

    Métro: Saint Germain

    Café: Les Deux Magots, 6 pl. St. Germain des Prés

    Chocolatier: La Durée, 21, Rue Bonaparte, www.laduree.fr

    Auf den Spuren von Toulouse-Lautrec am Montmartre

    Der Montmarte gehört unbedingt ins Programm einer Paristour. Einst lag das Künstlerdorf in einer ländlichen Gegend. Im 19.Jahrhundert drehten sich hier noch 30 Windmühlen. Eine davon bewegt ihre Flügel heute noch immer, allerdings ohne zu mahlen: Die rote Mühle, das Moulin Rouge, an der Place Blanche gelegen, war vor 100 Jahren das Stammlokal des Malers Toulouse-Lautrec. Er kam 1886 nach Paris und beobachtete das Leben in den Cafés, Kabaretts und Tanzlokalen.

    Von hier aus die Rue Ravignan hinauf gelangt man auf die kleine Place Emile Goudeau mit Kastanien, Bänken, Laternen und vielen Hunden. Hier stand das berühmte Bateau Lavoir, das Waschhaus, ein Holzbau, in dem Handwerker, Schauspieler und Künstler wie Picasso lebten und arbeiteten. Durch die Rue des Trois Frères und die Rue Tardieu erreicht man die kleine Straße „Steinkerque“, die zur Zuckerhutkathedrale Sacre Coeur auf dem Montmarte-Hügel führt. Die Kirche ist bei Einheimischen und Fremden beliebt. Auf der Freitreppe kann man lange sitzen und den Ausblick über Paris genießen. Rechts neben Sacré Coeur ein paar Treppenstufen hinauf befinden sich kleine Cafés, die gerade an Sonnentagen mit ihren Terrassen und bunten Stühlen so einladend wirken, dass man hier unbedingt eine Pause machen sollte.

    Auffällig und für Fashionvictims äußerst interessant sind in dieser Gegend die Stoffläden. Wer dafür einen Blick hat, muss unbedingt den Marché St. Pierre besuchen, einen großen Stoffladen rechts unterhalb von Sacre Couer. Hier gibt es feine Seidenschals zu Spottpreisen.

    Le Moulin Rouge

    Métro: Blanche oder Anvers

    Stoffladen: Marché St. Pierre, 2, Rue Charles Nodier

    Bettina Louise Haase

    Informationen:

    Wichtiger Bus: Der Bus Nummer 69, der an der Place de la Bastille abfährt, eignet sich gut für Sightseeing. Er fährt an der Seine entlang und stoppt an allen wichtigen Sehenswürdigkeiten. Endstation ist der Eifelturm.

    Fortbewegen: mit der Métro: Am besten, man nimmt ein Carnet (zehn Tickets für insgesamt 13,70 Euro) für jeweils eine Strecke in eine Richtung;
    Taxifahren mal anders: Paris steckt im Dauerstau. Insider rufen sich heute ein Motorrad-Taxi, kurz Mototaxi. Der Helm wird gestellt, kleine Gepäckstücke sind erlaubt. Preis: ab 20 Euro, www.city-bird.com

    Paris lässt sich auch gut vom Wasser aus erkunden: zum Beispiel mit dem Bus-Boot Batobus, das an mehreren Haltepunkten abfährt. € 16 für einen Tag. Ermäßigungen mit dem Navigo Pass, dem Nachfolger der Carte Orange. www.batobus.com

    Weitere Informationen: www.rendezvousenfrance.com/

    Reisearrangement: „Hotel Lorette Opéra“ (3-Sterne), gepflegtes und sympathisches Mittelklasse Hotel in modern einladendem Design, nahe Montmartre gelegen, viele französische Restaurants und Sacré Coer, in der Umgebung. 2 Nächte/DZ/Frühstück ab 146 EUR pro Person, Anreise mit dem TGV ab zum Beispiel 160 EUR pro Person, www.dertour.de

    Online-Reisejournal 2014