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  • Von Oxford nach Südwales

    Blenheim Palace

    Blenheim Palace in der Nähe von Oxford – hier wurde Winston Churchill geboren

    Die üblichen Routen der deutschen Englandbesucher verlaufen, falls sie überhaupt über London hinausführen, in vielen Fällen nach Cornwall. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die Landschaft und das Klima in Englands Südwesten sind tatsächlich besonders. Von geradezu tropischer Üppigkeit ist die Blütenpracht in den Gärten, die Ortschaften sind putzig, die Küsten lieblich bis wildromantisch. Da kann Wales nicht ganz mithalten. In Wales ist alles etwas einfacher gestrickt – selbst die Vegetation. Aber Wales ist nicht weniger sehenswert, zumindest was den Süden betrifft.

    Südwales ist Großbritannien für Fortgeschrittene. Wer sich von London aus aufmacht Richtung Westen, kommt zunächst ganz automatisch an einem England-Highlight vorbei, das man auf keinen Fall links liegen lassen darf: Oxford. Die jahrhundertealte Universitätsstadt mit ihren unzähligen gotischen Collegegebäuden entführt den Besucher tatsächlich in eine andere Zeit und in eine andere Welt. Geschäftiges Leben tritt hier zurück zugunsten einer Atmosphäre des geistigen Lebens in anheimelnden Gemäuern. Fast alle Colleges kann man besichtigen .

    Oxford

    Gartenanlage beim Christ-College in Oxford

    Etwa das ehrwürdige Christ-College, in dem so mancher hohe Politiker des Landes studiert hat. Aber natürlich gibt es auch jede Menge gemütlicher Cafés und Pubs. Übernachten kann man beispielsweise unweit von Oxford in Denton in dem wunderschönen reetgedeckten alten Häuschen aus dem 17. Jahrhundert von Katrina Sheldon, die Bed-and-Breakfast anbietet. Im liebevoll gepflegten Garten ihres “Willow Cottage” kann man nach einem mit Eindrücken übervollen Oxford-Tag wunderbar entspannen.

    Willow Cottage 2

    Willow Cottage in Denton

    Von hier aus lässt sich auch gut ein Ausflug zum riesigen Anwesen der Dukes of Marlborough Blenheim Palace machen, eine der größten Schlossanlagen Englands. John Churchill hatte das Areal für seine erfolgreiche Schlacht im spanischen Erbfolgekrieg bekommen. Berühmt ist das Schloss vor allem deshalb, weil hier die wichtigste englischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts geboren wurde (zu dieser wurde er in einer Umfrage erkoren): Winston Churchill, ein Nachfahre des Erbauers. Eine ständige Ausstellung zeigt viele Gegenstände und Dokumente aus dem Leben des großen Politikers, so etwa seinen Kinderschlafanzug. Aber auch die enorme schriftstellerische Produktion des Nobelpreiseträgers für Literatur ist hier dokumentiert. Für die Engländer ist Blenheim Palace allein wegen Churchill eine Art nationaler Wallfahrtsort. Die Bedeutung Churchills als derjenige, der Hitler die Stirn bot und mit seinem Widerstand die Wende im Zweiten Weltkrieg einleitete, ist jedem Engländer bewußt – anders als vielen Deutschen. Aber auch die weitläufige Gartenanlage von Blenheim Palace ist überaus sehenswert.

    Wales Küste 22

    Küstenwanderweg in Südwales

    Von Oxford braucht man etwa vier Stunden mit dem Auto bis zur Westküste von Wales – vorbei an der sehenswerten Hauptstadt Cardiff und der weniger sehenswerten Industriestadt Swansea. Wir machen Zwischenstation nördlich von Swansea in den Blackmountains – was man sich aber nicht als Schwarzwald Großbritanniens vorstellen darf. Die Berge hier sind unbewaldet, dafür mit rot-rosa leuchtendem Heidekraut übersät und die Städte tragen unaussprechliche Namen wie Llandeilo oder Ystradgynlais. Das Walisische hat mit dem Englischen kaum etwas gemein, man kann es nicht verstehen, wenn man es nicht gelernt hat.

    Strand von Newport

    Strand mit Strandkneipe bei Newport

    Ein weiterer Unterschied zu Cornwall: In Wales gibt es weniger Touristen. Selbst die Küstenorte scheinen hier weitgehend von Einheimischen oder zumindest britischen Touristen in Beschlag genommen zu sein. Das Strandleben etwa im hübschen Örtchen Newport ist angenehm unaufgeregt und entspannt. Fantastisch sind die Blicke über die hügelige Landschaft hinab bis zur Küste und vor allem die langen und überaus abwechslungsreichen Küstenpfade, die hier fast die gesamte Küste von Südwales umspannen. Auf unseren vier Küstentouren zwischen St. David und Newport haben wir vier komplett unterschiedliche Küstenlandschaften gesehen: unterschiedliche Gesteinsarten der steil ins Wasser ragenden Felsen, aber auch  unterschiedliche Pflanzen – obwohl die Touren nur wenige Kilometer auseinander liegen. Farbe und Beschaffenheit der Felsformationen ändert sich ebenso schnell wie die Vegetation. Und wenn man Glück hat, kann man auch noch Robben beim Plantschen beobachten.

    Robert Jungwirth

    Reiseempfehlungen:

    Restaurant Llys Medyg in Newport. Hervorragendes Fleisch- und Fischrestaurant mit kontinental inspirierter Küche. Die Zutaten stammen alle aus der näheren Umgebung, Gemüse und Kräuter zum Teil aus Eigenanbau. Auch ein Viersterne-Hotel gehört dazu. www.llysmedyg.com

    Übernachten bei Oxford: Willow Cottage in Denton www.willowcottage.info

    Blenheim Palace www.blenheimpalace.com

    Sehenswerter privater Garten bei Fishguard: www.dyffrynfernant.co.uk

    Stilvolles Bed-and-Breakfast in Landhaus mit schönem Garten bei Fishguard mit preisgekröntem Frühstück www.cefnydre.co.uk

    Online-Reisejournal 2015

  • Kulinarik und Natur im westirischen Dingle

    Dingle Küste

    Die Küste vor Dingle

    Vielleicht liegt es ja an der frischen Seeluft, dass die Menschen in Dingle eine besondere Neigung zu frischen und gesunden Lebensmitteln haben – jedenfalls viele von ihnen. Auf dem täglichen kleinen Markt des 2500 Einwohner zählenden Küstenorts am äußersten süd-westlichen Zipfel von Irlands Küste jedenfalls kann man täglich frisches Biogemüse kaufen, hervorragenden Käse von Kuh, Schaf oder Ziege und Bio-Wurst. Ein paar Schritte weiter am Hafen gibt es fangfrischen Fisch. Frischer geht es nicht. So wundert es nicht, dass es in Dingle nicht nur einige ausgezeichnete Restaurants gibt, sondern sogar eine Kochschule. Mark Murphy, der sie betreibt, stammt aus Dublin und hat dort und in der Schweiz in erstklassigen Restaurants als Koch gearbeitet hat, bevor er sich in Dingle niederließ und hier eine Cookery School gründete.

    Mark in Kochschule2

    Mark Murphy in seiner Kochschule

    Doch bevor wir nach Marks Anweisungen die Kochlöffel schwingen, begleiten wir ihn erst einmal zum Einkaufen auf den Markt und zum Hafen. Denn natürlich kommt es beim Kochen zuerst und vor allem auf die Qualität der Zutaten an. Mark entscheidet sich für neue Kartoffeln –  die gibt es in Irland auch schon im Juni – bunten Mangold, verschiedene frische Blattsalate, Lauch, Käse und Wurst.

    Fischer3

    Fischer mit dem catch of the day

    Im Hafen wird heute als catch oft the day Pollock angeboten. So heißt hier eine besondere Art von Kabeljau – ein ganz hervorragender Fisch. Der Fischer hat ihn schon ausgenommen, und Mark zeigt uns in seinem Studio, das praktischerweise nur ein paar Schritte vom Hafen entfernt ist, als erstes, wie man den gar nicht kleinen Fisch ordnungsgemäß filetiert und entgrätet.

    An das große, dünne Messer muss man sich erstmal ran trauen, an das große dicke für das Gemüse ebenfalls… Doch der korrekte Umgang mit dem „Werkzeug“ ist erfreulicherweise auch Teil des Kurses, und so verliert man nicht nur die Scheu davor, sondern schwingt die Gerätschaften nach ein bisschen Übung schon ganz passabel übers Brett: Spitze nach unten aufs Brett, den Griff wie einen Tennisschläger umklammert, mit nach innen gekrümmten Fingern der anderen Hand die Zwiebel festgehalten und los geht’s. Es empfiehlt sich trotzdem, erstmal keinen Geschwindigkeitsrekord aufstellen zu wollen.

    Die Zwiebeln kommen in den bunten Salat vom Markt, zum Fisch gibt es außerdem mashed potatoes mit Lauch sowie Brokkoli und Blumenkohl aus dem Ofen mit Öl übergossen und leicht gewürzt mit Salz und Pfeffer. Auch beim Fisch wird nicht viel getrickst, zumindest nicht in unserem Halbtageskurs… Den gesalzenen Fisch auf der Haut in ein wenig Öl angebraten, später noch Pfeffer dazu – fertig.

    Teller Kochschule

    Das Ergebnis des Kochkurses kann sich sehen lassen und schmeckt auch

    Es ist eher ein Grundkurs, den wir besuchen, aber es ist kein Fehler, erstmal mit den Grundlagen anzufangen und sich dann weiter zu perfektionieren. Immerhin beinhaltet der Kurs auch Brotbacken und einen Pudding genannten Kuchen als Dessert. Und das alles inclusive Einkaufen in nicht mal 3 Stunden! Mark bietet Kurse in unterschiedlichen Längen und Intensitäten an.

    Aber auch ohne Kochkurs kann man in und um Dingle kulinarische Entdeckungen machen, zum Beispiel im Global Village Restaurant, dessen Fenster mit Michelin-Empfehlungen regelrecht zugeklebt sind. Jeder Gang des Fünf-Gänge-Menüs mit Vorspeise, Süppchen, Fisch, Lamm und Dessert war außergewöhnlich delikat: beste Zutaten mit Hingabe, Fantasie und Sachverstand zubereitet. Eine unbedingte Empfehlung! Nur sollte man vielleicht schon von zu Hause aus reservieren, denn das kleine Lokal ist – wen wundert’s – fast immer ausgebucht.

    Dingle Häuser1

    Die Hauptstraße von Dingle mit ihren zahlreichen Pubs und Restaurants

    Trotz der Exquisität von Martin Bealins Küche sind seine Kreationen nicht abgehoben, sondern vermitteln immer eine gewisse Erdung, was auch zu Dingle passt. Denn das Dörfchen mit seinen lustigen rot, grün, gelb oder violett gestrichenen Häuserchen und seinen fröhlichen und zugänglichen Einwohnern ist alles andere als ein hot-spot-Touristenort – auch wenn hier im Sommer durchaus zahlreiche (Tages-)Touristen anzutreffen sind. Einige von ihnen kommen wegen eines mittlerweile recht berühmten Bewohners des Hafenbeckens namens Fungie. Fungie ist ein Delphin, der seit über 30 Jahren Zeit im großen natürlichen Hafen von Dingle lebt und sich auch durchaus gerne den nach ihm ausschwärmenden Touristenbooten zeigt. 2013 wurde Fungie zum 30-jährigen Jubiläum seines ersten Auftauchens die Ehrenbürgerwürde Dingles verliehen.

    Wer das Glück hat, eine solche Bootstour mit Michael Doolew zu machen, der erfährt nebenbei auch noch so gut wie alles über die Geschichte dieser Gegend. Dass sogar die Habsburger hier mal zugange waren und wann hier ein Schiff der spanischen Armada versenkt wurde und, und, und. Obgleich Doolew wie ein Fischer aus dem Bilderbuch aussieht, ist er gelernter Banker. Die Bank aber hat er hinter sich gelassen, um hier in Dingle Bay als Geschichte(n)erzähler auf dem Meer zu arbeiten…

    fungie

    Der Ehrenbürger von Dingle zeigt sich seinen Fans

    Die eigentliche Attraktion der Gegend aber ist weniger Dingle als vielmehr die umliegende Küstenlandschaft mit ihren wilden Buchten und gebirgigen, sattgrünen Anhöhen. Hier kann man am sogenannten Wild-Atlantik-Way entlangfahren und nach beinahe jeder Biegung eine noch schönere Aussicht genießen. Und natürlich lassen sich auch wunderbare Wanderungen an der Küste unternehmen. Fast überall könnte man einen Werbefilm für irische Butter drehen. Oder „Ryan’s Daughter“, der hier tatsächlich entstanden ist. So wildromantisch und naturbelassen die Gegend mit dem Namen Blasket ist, so ärmlich war das Leben der Menschen hier noch vor nicht allzu langer Zeit.

    Es gehört zu den staunenswerten Besonderheiten der Iren, dass sie ihrer Armut nicht nur durch Auswanderung sondern auch durch Literatur zu entkommen suchten. In den 30er und 40er Jahren entstanden hier, wo nur ein paar hundert Menschen lebten, nicht weniger als 40 Romane! Ein weiterer Beleg für die besondere Leidenschaft der Iren fürs Schreiben. Immerhin stammen bislang vier Nobelpreisträger für Literatur von der Insel – Oscar Wilde und James Joyce zählen übrigens nicht dazu…
    Ein nagelneues, schön in die Landschaft eingebundenes Museum, das Blasket Island Centre, dokumentiert den Alltag der Menschen in früheren Zeiten und porträtiert die von hier stammenden Schriftsteller.

    Wanderweg

    Wanderweg in Blasket

    In der Nähe der “Ryan’s Daughter”-Kulisse liegt auch O’Gorman’s Clifftop Restaurant mit angeschlossenem kleinen Hotel. Sile Gorman bewirtet hier ihre Gäste vor einem grandiosen Meeres-Panorama mit hervorragender überwiegend biologischer Küche. Vor kurzem wurde die sympathische Wirtin als „Host oft he Year“ ausgezeichnet. Womit wir wieder bei der Kulinarik wären, zu der es noch viel zu sagen gäbe. Zum Beispiel, dass hier das Crean Beer in der Dingle Brewing Company gebraut wird, das so frisch und würzig schmeckt, wie die Landschaft drumherum aussieht oder dass es hier ein wunderbares handgemachtes Eis von Murphy’s gibt, das aus ausgesuchten Zutaten der Umgebung hergestellt wird. Don’t miss, but don’t mix! Bier und Eis gut auseinander halten, und die Schaukelfahrt auf dem Atlantik auf der Suche nach Fungie vielleicht auch besser vor der Brauereibesichtigung unternehmen…

    Brewing Company

    Dingles Bierbrauerei – von hier kommt das vorzügliche Crean Beer

    Autor: Robert Jungwirth

    Reiseinfos:

    www.ireland.com/de-de/reiseziele/republic-of-ireland/kerry/dingle/

    Anreise per Flugzeug nach Dublin z.B. mit Air Lingus von vielen deutschen Flughäfen aus, dann weiter mit dem Bus oder vom Flughafen Dublin per Flugzeug weiter zum Regionalflughafen Kerry.

    Empfehlenswertes Hotel in Dingle: Dingle Benners Hotel. Gemütliches und stilvolles alt-irisches Hotel mit hohem Standard und full irish breakfast! Man kann sich aber auch z.B. einen Fisch zum Frühstück braten lassen.
    www.dinglebenners.com

    Empfehlenswerte Restaurants in und um Dingle:

    Global Village Restaurant: www.globalvillagedingle.com

    Ashes Bar & Restaurant: www.ashesbar.ie

    O’Gorman’s Clifftop Restaurant: www.gormans-clifftophouse.com/our-restaurant.html

    Online-Reisejournal 2015

  • Mediterrane Atmosphäre im Norden Italiens

    blick auf see

    Blick auf den Gardasee von Riva

    Wer nach Riva kommt, lernt etwas über den Wind. Kein Wunder, dass die Stadt am Nordende des Gardasees gerade bei Seglern und Surfern hoch geschätzt ist. Wind gibt es praktisch immer hier. Morgens weht er aus dem Norden von den Bergen her, „Pelèr“ genannt, mittags ist kurz Flaute, bevor er exakt aus der Gegenrichtung kommt, „Ora“ genannt. Kenner sehen an der dunkel gefärbten Wasseroberfläche, wie lange der Wind nach dem Richtungswechsel noch braucht, bis er in Riva ankommt. Das ist selbst für Nichtsegler ein faszinierendes Schauspiel. Und der durch den Wind gekräuselte Gardasee wirkt gerade am Nachmittag im Dreiklang von Sonne, Wasser und den umliegenden Bergen wie ein norwegischer Fjord mit mediterraner Witterung.

    Katamaran

    Segeln auf dem Katamaran in der Bucht von Riva

    Wer sich auf’s Wasser wagen will und nicht mit seinem Boot oder Board angereist ist, der kann sich bei der hervorragend ausgestatteten Segelschule “Sailing du lac” in Riva Boote und Boards leihen oder in flexibel buchbaren Kursen Segeln lernen. Man kann aber auch selbst als blutiger Laie dort eine oder zwei Stunden mit einem erfahrenen Segellehrer auf einem Katamaran über den See sausen – wahlweise auch ohne viel Theorie. Ein unbeschreibliches Vergnügen, das man sich nicht entgehen lassen sollte, sofern man sich dazu überwinden kann, sich in einen Neoprenanzug zu pressen…vielleicht aber braucht man den im Sommer nicht mehr unbedingt…

    Outdoor-Spaß und kulinarische Freuden

    arco burg und felsen

    Die Burgruine von Arco mit Kletterfelsen

    Neben den Wassersportfans kommen freilich auch viele andere Outdoorsportler hier auf ihre Kosten: Vor allem Mountainbiker und Kletterer können sich hier austoben. Ein beliebtes Klettergelände für alle Ansprüche gibt es zum Beispiel im 5 Kilometer von Riva entfernten Städtchen Arco mit seinen steilen Felswänden. Hier fand 2011 die Weltmeisterschaft der Sportkletterer statt. Aber natürlich kann man auch wunderbare Wandertouren rund um Riva und die angrenzenden Orte Torbole im Osten und Limone im Südwesten unternehmen – etwa zum idyllisch gelegenen, türkisfarbenen Tennosee, wo es im Sommer deutlich ruhiger zugeht, als an den Gardaseestränden in und um Riva. Der „Garda Trek“ dagegen führt von Torbole ausgehend mit Blick auf den See auf rund 2000 Meter Höhe.

    Im lauschigen Arco mit seiner pittoresken, von Zypressen umstandenen Burgruine hoch über dem Ort war übrigens einst die Winterresidenz des österreichischen Kaisers Franz Joseph. Sie steht noch immer im Schönbrunner Kaisergelb, und in einem Teil davon werden heute sogar Zimmer vermietet. Riva und Arco standen bis zum Ersten Weltkrieg unter österreichischer Herrschaft. Der klassizistische Baustil mancher Gebäude in Arco und Riva kündet davon. Auch die traditionelle Inneneinrichtung des seit Generationen in Familienbesitz befindlichen Restaurants „Leon d’Oro“ in Riva, wo man auf Wiener Kaffeehausstühlen sitzend hervorragende Fisch- und Fleischgerichte genießen kann.

    Leon ristorante

    Ristorante Leon d’Oro in Riva

    Überhaupt das Essen! Riva und Umgebung sind nicht nur für Sportler ein Refugium, sondern auch für Freunde guten Essens. Neben dem „Leon“ ist unbedingt das direkt am Ufer bei Torbole gelegene Fischlokal „La Terrazza“ zu empfehlen. Hier kommt alles auf den Tisch, was Fischer im Gardsee fangen: Hecht, Lavarello, Sardine, Schleie, Barsch, Forelle, Aal… – kreativ und geschmackvoll zubereitet, dazu mit einer hervorragenden Auswahl an Gardaseeweinen.

    terrazza

    Fischteller im “La Terrazza” in Torbole

    Ein echter Geheimtipp ist das Lokal „Acetaia“, auf halber Strecke zwischen Riva und Tenno hoch über dem Gardasee gelegen, mit einem fantastischen Ausblick auf den See und Riva. Hier bekommt man Produkte der Region auf traditionelle Weise sorgfältig zubereitet, wie zum Beispiel carne salàda, ein ca. zwei Wochen lang eingelegtes und dann gekochtes, dünn geschnittenes Rindfleisch, das mit dicken Bohnen serviert wird. Natürlich ist auch etwas von dem hier nach eigenem Verfahren hergestellten, besonders feinen Balsamico-Essig darin, der dem Lokal seinen Namen gab. Und man kann dazu einen herrlichen Rotwein ebenfalls aus eigener Produktion genießen, z.B. den hervorragenden „Rebo“. Und wem der Wein nach dem Essen vielleicht ein wenig zu Kopf gestiegen ist, der kann hier auch übernachten. Wobei die schönen neuen Appartements eigentlich für einen längeren Aufenthalt gedacht sind.

    Neben Wein wird in der Region um Riva seit der Römerzeit auch ein hervorragendes Olivenöl hergestellt. Eine Auswahl an verschiedenen Ölen bietet die Olivenmühle Agraria Riva del Garda, eine seit 1926 bestehende Genossenschaft, in der etwa 1000 Olivenbauern der Region zusammengeschlossen sind. Hier kann man verschiedene Öle probieren und natürlich auch kaufen. Öle aus dieser Mühle wurden bei internationalen Wettbewerben häufig ausgezeichnet. Besonders die frische grüne Note dieses Öls fällt auf. Die Besonderheit des Geschmacks hängt natürlich mit der geografischen Lage in einem der nördlichsten Anbaugebiete Europas zusammen.

    riva kaffemuseum

    Das Kaffeemuseum von Omkafé in Riva

    Eine andere besichtigenswerte kulinarische Stätte ist die Kaffeerösterei Omkafé. Die 1947 gegründete Rösterei ist seitdem in Familienbesitz und beherbergt in dem neu gebauten Firmengebäude auch einen Showroom und ein Kaffeemuseum mit vielen alten Kaffeemaschinen. Hier erfährt man etwa, was es braucht, um einen guten Espresso herzustellen – nämlich 10-12 verschiedene sorgsam ausgesuchte und kombinierte Kaffee-Sorten! Wer sich im original italienischen Espresso- oder Cappuccino-Machen unterrichten lassen will, kann hier ein halbtägiges Barista-Seminar besuchen. Am Ende des Kurses, so versichert die Tochter des Gründers der Rösterei Camilla Martinelli, kann man dann selbstverständlich auch ein Herz auf den Cappuccino zaubern…

    gardasee ansicht

    Blick auf Riva vom Wasser aus

    Das Hotel du Lac et du Parc – ein Gartenhotel der Sonderklasse

    pool

    Garten und Pool des Hotels du Lac et du Parc in Riva

    Hotels gibt es in Riva sowohl am hübschen kleinen Hafen als auch in der pittoresken Altstadt zahlreiche in allen Kategorien, wobei der Trend eher Richtung gehobener Standard geht. Auch wenn im Sommer sich hier zahlreiche Touristen tummeln, hat sich Riva mit seinen Häusern im sogenannten Gardesano-Stil des Architekten Giancarlo Maroni doch die Würde und Anmut einer Sommerfrische-Residenz bewahrt. Das spiegelt sich auch im Hotelangebot. Wer es vor allem ruhig mag, der ist im Hotel du Lac et du Parc ein wenig außerhalb des Zentrums am See gelegen bestens aufgehoben. Der 70.000 qm große Park des 4-Sterne-Hotels, das in jüngster Zeit durch einen Neubau mit sehr schönen Appartements ergänzt wurde, ist eine wahre Oase mit über 200 Pflanzen- und Blumenarten.
    Hier kann man zwischen Palmen, Zypressen, Zedern und blühenden Sträuchern morgens oder am späteren Nachmittag gemütlich hindurch schlendern und auf Bänken verweilen, das Plätschern des Forellenbachs und die enorme Vielfalt an Pflanzen genießen – wie in einem botanischen Garten. Der Garten ist die Hauptattraktion dieses geschmackvoll modernen Hotels, nicht zuletzt auch durch den schön gelegenen Pool und den spektakulären Bergblick.

    Einen Steinwurf südlich von Riva am westlichen Ufer des Gardasees liegt das Dörfchen Limone sul Garda, das seinen Namen vom dort seit langer Zeit gepflegten Zitronenanbau erhielt. In gemauerten Nischen am Hang, die die Bäume vor Wind und Wetter schützen, gedeihen herrliche Zitronen, die vor allem für den berühmten Likör Limoncello verwendet werden. Das am Hang gelegene Örtchen ist bei Tages-Touristen, die meist mit dem Schiff vom Ostufer oder aus Riva kommen, überaus beliebt – und entsprechend überlaufen. Auch Hotels gibt es hier jede Menge in allen Kategorien. Einen Geheimtipp kann man Limone also nicht unbedingt nennen – aber für Limoncello-Fans ist ein Besuch wohl ein Muss.

    Jahrhundertwendevillen in Gardone

    gardone mit grand hotel

    Uferprommenade von Gardone mit dem Grand Hotel am rechten Bildrand

    Mondän wird der Gardasee dann weitere 35 Kilometer südlich in Gardone. Dort haben sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts reiche Nordlichter und wohlhabende Mailänder großzügige Gartenvillen errichtet. 1884 eröffnete der Österreicher Louis Wimmer hier sein „Hotel Gardone“, das er sukzessive erweiterte und das um die Jahrhundertwende als „Grand Hotel“ mit 300 Zimmern mit Seeblick, geräumigem Speisesaal, Konversations-, Lese- und Musiksaal, einem Spielsalon, Galerien mit Glaswänden und Gärten mit tropischer Vegetation ein Anziehungspunkt für Adelige und Intellektuelle aus ganz Europa wurde.

    grand hotel gardone

    Grand Hotel Gardone

    Das Grand Hotel und das Savoy haben ihren Jahrhundertwendecharme in die Gegenwart hinüber retten können

    hotel savoy mit pool

    Hotel Savoy Palace Gardone

    Seit 1954 wird das Grand Hotel von der italienischen Familie Mizzaro geleitet. Die nötigen Modernisierungen geschahen achtsam und stilvoll, so dass das Gebäude mit dem charakteristischen goldgekachelten Turm noch immer jede Menge Belle-Epoque-Atmosphäre verströmt. Ein besonderer Ort, der – vielleicht weil 1949 hier Sir Winston Churchill urlaubte – gerade von Engländern bis heute sehr geschätzt wird. Sehr zu empfehlen ist auch das Restaurant des Grand Hotels, das beispielsweise exquisite Fischgerichte anbietet, darüber hinaus aber auch sonst keine Wünsche offen läßt.

    In Sichtweite zum Grand Hotel befindet sich mit dem Hotel Savoy Palace ein ähnliches Jahrhundertwende-Hotel – ebenfalls mit einem charakteristischen Turm als Blickfang, aber etwas kleiner als das Grand Hotel. Auch ist das Savoy neuzeitlicher im Stil, gleichwohl ebenfalls nicht ohne Charme.
    Unweit der beiden Hotels hat sich der Wiener Chansonnier und Kulturimpresario André Heller eine Villa gekauft und einen der Öffentlichkeit zugänglichen Garten gestaltet: eine eigenwillige Mischung aus Kunst, Kitsch und Natur kann man hier besichtigen – hübsch, aber sicher kein Muss.

    Il Vittoriale: Künstlervilla und Garten des Dicherts Gabriele D’Annunzios – Selbstinszenierung und Größenwahn eines Mussolini-Freundes

    Auf einem etwa drei- bis viermal so großen Areal residierte bis zum seinem Tod 1938 der italienische Dichter Gabriele D’Annunzio in einer Künstlervilla aus dem 19. Jahrhundert, die er erweitert hat und die seit D’Annunzios Tod unverändert konserviert wurde. Noch immer kann man die abgedunkelten und mit unendlich vielen Bildern, Skulpturen, Fotos, Büchern, religiösen Figuren aus verschiedenen Weltreligionen, Kunstgegenständen und allerhand Krimskrams vollgestopften Zimmer besichtigen, in denen der Mussolini-Günstling lebte und arbeitete und sich mit seinen zahlreichen Frauen vergnügte.

    garten d'annunzio

    In den Hang gemauertes Kriegsschiff im Garten des Dichers Gabriele D’Annunzio

    Ein Zimmer hat D’Annunzio eigens für sein Ableben gestaltet, mit einer Liege, die gleichzeitig Wiege und Sarg darstellt. Gestorben ist er dann unglücklicherweise in einem anderen Zimmer an einem Schlaganfall.

    Im Garten stellte der glühende Militarist und Soldat des Ersten Weltkriegs allerhand Kriegswerkzeug auf, etwa leere Bombenhüllen als Dekoration für eine Brücke oder ein halbes Kriegsschiff, das mit dem Bug im Berg steckt – man denkt unweigerlich an den irren Fitzcarraldo im Film von Werner Herzog. Etwas irre muss auch Gabriele D’Annunzio gewesen sein – Vitrinen zeigen seine exorbitante Kleider- und Schuhsammlung, die in Umfang und Art rekordverdächtig ist.
    Die Künstlervilla mit angrenzendem Amphitheater und gigantischem Mausoleum wird übrigens als “Vittoriale” bezeichnet und ist auch nur als solche auf Stadtplänen zu finden. Ein Besuch des Freakhauses und –gartens lohnt sich auf alle Fälle, auch für jene, die keine Kenner der Werke D’Annunzio sind.

     

    Testwagen Volvo V 60 T5 – eine sportliche Limousine als Kombi

    garda auto 1

    Volvo V 60 T5 Ocean Race

    Für die Fahrt nach Riva und weiter nach Gardone verwendeten wir einen Volvo V 60 T 5 als Testwagen. Der geräumige, aber dennoch sportliche Kombi (5 Türen) verbindet die Spritzigkeit eines Sportwagens mit der Gediegenheit und Bequemlichkeit einer Limousine. Die hochwertige Ausstattung und Verarbeitung vermitteln ebenfalls ein hohes Sicherheitsgefühl, dazu kommen modernste Fahrerassistenzsysteme, wie eine Rückfahrkamera mit Spurmarkierung, Distanzwarner zum vorausfahrenden Fahrzeug, das Blind Spot Information System (Blis) zur Überwachung des „toten Winkels“ bis zum Notbremsassistenten mit automatischer Fußgänger- und Radfahrererkennung. Das klingt verwirrender als es in der Praxis ist.

    Volvo V60 Ocean Race Edition

    Der Volvo V 60 T 5 verfügt über ein hocheffizientes 8-Gang-Automatikgetriebe, das mit neuester Antriebstechnik (Drive-E-Antrieb) ausgestattet bei einer Motorleistung von stolzen 180 KW (245 PS) durchschnittlich nur 6,1 Liter verbraucht (bei 142 g CO2/Km). Straßenlage und Spursicherheit sind hervorragend und machen selbst kurvige Bergstraßen zur gemütlichen Landpartie. Das Schöne an dem Fahrzeug ist, dass es sportliches Fahren erlaubt, aber nicht provoziert. Überholen selbst auf Bergstraßen ist völlig stressfrei. So fühlt man sich beim  Fahren stets entspannt und in allen Situationen souverän. Lediglich der Boardcomputer für Audio und Navi könnte übersichtlicher und bedienerfreundlicher gestaltet sein. Während das Sound-System von Harman Kardon wiederum hervorragend ist.

    garda auto 2

    Der Einstiegspreis der Baureihe Volvo V 60 T3 liegt bei 29.750 Euro, die Ausstattungsvariante Ocean Race 43.800 Euro. Der Preis des Testwagens mit viel Zusatzausstattung wie Rückfahrkamera und Blis kostet 55.685 Euro.

    Weitere Infos unter: www.volvocars.com/at/modelle/unsere-modelle/volvo-v60

    Robert Jungwirth

    Informationen und Links zur Reise:

    Allgemeine Informationen: www.gardatrentino.it und www.gardalombardia.com

    Hotel du Parc et du Lac: www.dulacetduparc.com/de.html

    Grand Hotel Gardone: www.grandhotelgardone.it/de

    Hotel Savoy Palace Gardone: www.savoypalace.it/de/

    Ristorante Acetaia: www.acetaiadelbalsamico.it

    Ristorante Leon d’oro Riva: www.leondororiva.it

    Ristorante La Terrazza: www.allaterrazza.com

    Ölmühle Agraria: www.agririva.it/de/

    Segelkurse und Booteverleih Riva: www.sailingdulac.com

     

    Online-Reisejournal 2015

     

     

  • Kunst und Meer

    Den Haag verbindet städtisches Flair mit Strandnähe – ideal auch für einen Winterurlaub

    Jan Vermeer: Mädchen mit dem Perlenohrring Foto: Mauritshuis

    Jan Vermeer: Mädchen mit dem Perlenohrring Foto: Mauritshuis

    Dieser Blick hypnotisiert. Er lässt den Betrachter nicht aus den Augen, egal wohin dieser sich im Raum bewegt. Und ebenso wenig vermag der Betrachter den Blick abzuwenden. Die leuchtenden großen Augen, die geheimnisvolle Anmut des vom Kerzenlicht angestrahlten Gesichts, der rote, leicht geöffnete Mund. Was möchte er uns sagen, dieser Mund? Dazu der Schimmer auf den Lippen und der Lichtreflex auf dem Perlenohrring, der dem Bild seinen Titel gab: Das Mädchen mit dem Perlenohrring. Dieses Bild von Jan Vermeer ist eines der faszinierendsten Frauenbildnisse, das je gemalt wurde. Und wer unmittelbar vor ihm steht, der wird geradezu überwältigt von ihm.

    Nicht in Amsterdam, sondern in Den Haag hängt dieses weltberühmte Bild, im vielleicht schönsten Museum mit alter holländischer Kunst, dem Mauritshuis. Ein Stadtpalast, den sich der deutsche Adlige Johan Maurits von Nassau-Siegen 1644 errichten hat lassen. Später hat man ihn zur Bildergalerie umgewandelt. Zentral gelegen, unmittelbar an das alte Parlamentsgebäude aus dem 13. Jahrhundert angrenzend, ist er eine der Hauptsehenswürdigkeiten Den Haags. Allein dieses berühmte Bild von Vermeers ist den Besuch des Museums, ja den Besuch Den Haags wert. Dabei beherbergt das Mauritshuis unzählige andere Bilder großer Meister, wie Rembrandt, Breughel, Holbein oder Hals.

    Vor kurzer Zeit hat man nach dem Vorbild des Louvre unter dem Mauritshuis einen aufwendigen unterirdischen Eingangsbereich gebaut, von dem aus die Besucher ins Innere des Palais‘ gelangen. Ein inszenierter Aufgang zu den Meisterwerken der holländischen und flämischen Malerei des Goldenen Zeitalters – und erst ganz oben, zum Schluss des Rundgangs, steht man plötzlich vor dem „Mädchen mit dem Perlenohrring“ – und kann sich nicht mehr wegbewegen…

    Natürlich ist dieses weltberühmte Gemälde, nach dem sogar ein Hollywood-Film gedreht wurde, die Attraktion in Sachen Kunst in der holländischen Hauptstadt. Dabei ist Den Haag nicht nur wegen dieses Bildes eine Kunststadt. Neben dem Mauritshuis mit seinen hochkarätigen Beständen sollte man das Gemeentemuseum für moderne Kunst nicht verpassen. Der weitläufige 20er-Jahre Bau mit seiner farbigen Art-Deco-Architektur beherbergt die weltweit größte Sammlung von Bildern Piet Mondrians, die zusammen mit Arbeiten seiner holländischen Zeitgenossen einen faszinierenden Einblick in niederländische Moderne bilden. Gegenwärtig gibt es im Gemeentemuseum auch eine riesige Rothko-Ausstellung, von den surrealen Anfängen bis zur Sakralkunst der 60er und 70er Jahre. Zu sehen noch bis zum 1. März 2015.

    Gemeentemuseum2

    Gemeentemuseum

    Und dann sind da noch jede Menge kleiner Galerien mit aktueller Kunst in der historischen Altstadt von Den Haag. Überhaupt die Altstadt. In den herrlichen Klinkerbauten, die eher an England erinnern als an die Grachtenhäuser Amsterdams, findet man eine große Vielfalt an kreativen Läden, Boutiquen mit junger Designermode, originellen Cafés und hervorragenden Restaurants, gemütlichen Pubs und.. und.. und.

    Altstadt von Den Haag

    Altstadt von Den Haag

    Der Vorteil eines Stadtspaziergangs in Den Haag ist, dass die 500.000 Einwohner-Stadt nicht so groß ist. Alles lässt sich zu Fuß ohne Probleme bewältigen. Und wenn man genug vom Stadtbummel hat und sich am berühmtesten Fischstand der Stadt unmittelbar vor dem Parlament gestärkt hat – zum Beispiel mit sensationell zartem Matjes – fährt man ans Meer und lässt sich vom frischen Seewind den Kopf von den vielen Eindrücken wieder freipusten.

    Keine Viertelstunde braucht die Straßenbahn vom Parlament bis zum Strand von Scheveningen. In den Wintermonaten geht es hier ruhig und entspannt zu, und man kann wunderbare lange Strandspaziergänge bis in die Dünenlandschaft hinein unternehmen oder mit dem Rad an der Küste entlangfahren. Statt Schnee und Eis knirschen unter den Sohlen der Spaziergänger unzählige kleine Muscheln…Der Strand hier ist extrem breit und so flach, dass man in Meeresnähe auch gut darauf joggen oder Radfahren kann. Die Den Haager kommen gern zum Sonntagsausflug hierher, gehen spazieren oder lassen Drachen steigen.

    Der Strand von Scheveningen

    Der Strand von Scheveningen

    Die vielen Lokale und der Bungee-Jumping-Turm um das imposante Kurhaus aus dem späten 19. Jahrhundert herum lassen erahnen, welch ein Trubel hier im Sommer herrschen muss. Aber so genau wollen wir uns das eigentlich gar nicht vorstellen. Wir fragen uns lieber, was in dem nun geschlossenen Bibelkiosk im Sommer abgeht? Bietet man hier Bibelstunden in Badehose und Bikini an? Die 70er Jahre-Appartementhäuser, die das wunderbare Jahrhundertwende-Kurhaus umstellen, ja umzingeln, schauen wir uns auch nicht so genau an. Hier haben sich Größenwahn und schlechte Architektur gegenseitig befruchtet – mit üblen Folgen.

    Während man im Zentrum von Den Haag gerade dabei ist, ein paar unansehnliche 70er Jahre Bürotürme wieder aus dem Stadtbild zu entfernen und durch ansprechende Architektur zu ersetzen, ist man in Scheveningen noch nicht so weit. Schade, denn das traditionsreiche Seebad könnte gut auf einige dieser Plattenbausünden verzichten.

    Kurhaus mit angrenzenden Gebäuden

    Kurhaus mit angrenzenden Gebäuden

    Der Vorteil der vielen Appartementhäuser allerdings ist, dass hier auch im Winter Leute wohnen und deshalb viele Restaurants und Lokale geöffnet haben, man also keine Angst zu haben braucht, kein Mittag- oder Abendessen zu bekommen. Auch die meisten Hotels in Scheveningen haben das ganze Jahr über geöffnet. Der Wintertourismus ist zwar unbedeutend im Vergleich zu den Gästezahlen im Sommer, aber man hofft, dieses Geschäftsfeld noch ausbauen zu können.

    Sommerhäuser, später

    Sommerhäuser, später

    Während in unmittelbarer Küstennähe die Bauwut der vergangenen Jahrzehnte nur mehr wenige der schönen alten Häuser aus der Glanzzeit des Seebads übrig gelassen hat, kann man in zweiter bzw. dritter Reihe noch viele wunderbare Sommerhäuser mit Fachwerk, Türmchen und Veranden finden. Wer vom Gemeentemuseum Richtung Meer spaziert, läuft an ihnen vorbei. Dieses Stadtviertel, das an den Hafen von Scheveningen grenzt, hat einen ganz eigenen Reiz. Auch ein großer Park mit alten Bäumen und Radwegen schließt sich daran an. Es lohnt sich also, sich auf einen Drahtesel zu schwingen und die Gegend auf diese Weise zu erkunden – zumal Den Haag nicht weniger als Amsterdam eine Fahrradstadt ist. Vor dem Bahnhof gibt es zum Beispiel einen Fahrradparkplatz mit einer Konstruktion, die die Räder übereinander stapelt wie in einer Duplexgarage…

    Laange Vorhout

    Laange Vorhout

    Abends kann man dann wieder chic essen gehen in der Altstadt von Den Haag…zum Beispiel indonesisch. Das hat hier eine große Tradition – schließlich war der Inselstaat über mehrere hundert Jahre niederländische Kolonie. Und man kann an den erleuchteten vielen Stadtpalais aus dem 17. und 18. Jahrhundert vorbeischlendern, in denen heute die Botschaften vieler Länder residieren. Die Prachtstraße heißt „Lange Voorhout“ – was für deutsche Ohren reichlich erheiternd wirkt, denn man spricht es “Lange Vorhaut“ aus. Diese Straße ist zweireihig mit Linden bepflanzt und war das Vorbild für Berlins Unter den Linden.

    Von Robert Jungwirth

    Informationen unter: www.denhaag.com

    www.holland.com

    Empfehlenswertes Hotel in Scheveningen: Hotel Andante: hotelandante.nl

    Online-Reisejournal 2014