Archives 2015
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Mit Farbe und Phantasie: Die Auferstehung der chilenischen Hafenstadt Valparaiso
Was wäre, wenn Friedensreich Hundertwasser nicht nur Häuser, sondern eine ganze Stadt gebaut hätte? Für den Chilenen Gonzales, der Tag für Tag Gäste durch das Haus Pablo Nerudas führt, des berühmten chilenischen Schriftstellers, der 1971 den Literaturnobelpreis erhalten hat, ist es keine Frage – sie sähe aus wie Valparaiso.
Warum wie Valparaiso? Eine 300.000-Einwohner-Stadt, die auf mehr als vierzig Hügeln angelegt ist und in der sich viele Häuser finden, die außen mit Wellblech verkleidet sind – ein Material, das früher als Schiffsballast den Weg in die Stadt fand und das in den hellsten und grellsten Farben, die man sich vorstellen kann, angestrichen ist. Die Altstadt von Valparaiso, mit ihren bunten Häusern, die an steilen Hügeln kleben und zum Teil wirken wie Spielzeughäuser, hat etwas Pittoreskes. Vielfach wird erzählt, dass die Einwohner die Blechfassaden mit übrig gebliebener Schiffsfarbe gestrichen haben – und dass dadurch das Kunterbunt der Siedlungen auf den Hügeln zu erklären ist. Wie auf dem Cerro Alegre, dem Cerro Concepción oder dem Cerro Bellavista. Doch das ist vermutlich eine Legende. Denn die bunten Häuser, aber auch die faszinierende Graffitikultur in der Stadt, breiteten sich erst seit dem Jahr 1990 so richtig aus.
Eine Stiftung, welche die Stadtentwicklung in der chronisch klammen Hafenstadt unterstützen wollte, setzte auf Open Air Kunst. Sie bot zwanzig Künstlern die Möglichkeit, Häuser und Wände zu gestalten. „Cielo Abierto“ – offener Himmel – so hieß das Projekt, das eine Initiative von Kunststudenten aufgriff, die bereits 1969 damit begonnen hatten, sich der Wände der Hafenstadt zu bemächtigen. Die zweite Generation der Maler und Sprayer wurden zu Beginn der 90er Jahre eingeladen, Straßen, Mauern und Treppen auf dem Cerro Bellavista zu verzieren, insbesondere die Gassen zwischen der Calle Ferrari und dem Plaza Victoria. Unter ihnen waren Künstler wie Garcia Barrios, Roberto Matta und José Balmes. Eine Initiative, die zahlreiche Nachahmer fand – auch Wohnhäuser und Autowerkstätten, Jugendherbergen und Cafés in Valparaiso schmücken sich heute mit Graffiti.
Street Art hat in Valparaiso wenig mit Schmiererei und viel mit Kunst zu tun. Wobei die Graffiti-Kultur in Valparaiso auch Zeiten erlebte, in denen sie keineswegs offiziell gefördert wurde, sondern ein Zeichen des Widerstands war. Nach dem Militärputsch in Chile im Jahr 1971 waren die Medien von der Pinochet-Junta kontrolliert und wurden zensiert. Das heimliche Anbringen von Graffiti war eine Möglichkeit, Protest gegen die Regierung in die Welt zu schreien. Diese Zeiten sind gottlob vorbei – und Graffiti ist in Valparaiso inzwischen so anerkannt, dass es der Stadtverwaltung längst nicht mehr darum geht, sie zu bekämpfen. Sondern darum, sie zu fördern und zu steuern. Denn die Graffiti in Valparaiso sind längst eine Touristenattraktion.
Mehrmals pro Woche organisieren junge Chilenen eine Graffiti Street Art Tour, bei der Graffiti-Highlights besucht werden, die von Szene-Größen wie Cekis, Horate, Grin, Saile, Inti, Chaquipunk, LRM, Fisek oder UnKolorDistinto erstellt wurden. Während der mehrstündigen Tour, so beteuern die Veranstalter, seien mehr als 200 Graffiti zu bewundern. Mit einigen der aktivsten Sprayer treffen sich die Graffiti-Spaziergänger auch zum Plausch. Graffiti hat schließlich die unterschiedlichsten Facetten. Es gibt Cartoons und comicähnliche Wandmalereien, abstrakte Bilder und surrealistische Werke. Wandbilder mit dicken Rändern und einfachen Farben haben oft politischen Hintergrund, sie waren einst ein Markenzeichen kommunistischer Künstler im Widerstand gegen Pinochet. Ebenfalls politisch inspiriert ist die Grafittiform Pixacao.
Ihre Wurzeln liegen bei brasilianischen Künstlern, die gegen die sozialen Gegensätze in ihrer Gesellschaft ansprayten. Sie unternahmen halsbrecherische Aufstiege, um ihre Botschaften an besonders exponierten Stellen zu platzieren. Daneben gibt es Throw-ups, aufgeblasene Buchstaben, die zu Worten oder kurzen Sätzen geformt sind. Sind die Buchstaben so groß, dass die Wand komplett von ihnen bedeckt ist, spricht man von Blockbustern. Wem es nicht reicht, bemalte Wände, Mauern und Treppen und die wichtigsten Graffiti-Spielarten kennen zu lernen, der hat die Möglichkeit, bei einer nächtlichen Aktivtour selbst Hand anzulegen. In drei Stunden zum Künstler, so lautete das Motto der Graffiti-Aktiv-Tour. Spraydose und Schutzhandschuhe sind ebenso inklusive wie die Anleitung durch einen erfahrenen Sprayer.
Doch der Reiz Valparaiso entsteht nicht allein aus den bunten Häusern und aus den allgegenwärtigen Graffiti. Die Stadt, die so schön ist, dass einem davon schwindlig werden kann, hat einen speziellen Zauber. Dieser entsteht aus ihrer Topographie, rührt aber auch daher, dass die Entwicklung in Valparaiso vor 100 Jahren fast stehen geblieben ist. Das lag am Ende des Salpeterbooms – eine Folge der Patentierung des Kunstsalpeters um das Jahr 1910 herum. Und mehr noch am Bau des Panamakanals im Jahr 1914. Im 19. Jahrhundert, vor dem Bau des Kanals, war Valparaiso der erste große Hafen nach der Umsegelung von Kap Hoorn. San Francisco und Valparaiso waren damals die beiden wichtigsten Häfen an der Westküste Südamerikas. Damit war es nach dem Bau des Kanals schlagartig vorbei.
Die auf mehr als vierzig Hügeln angelegte Stadt, die nach einem Tsunami und einem Erdbeben im August 1906 gerade erst neu aufgebaut worden war, verfiel in eine Art Dornröschenschlaf. Valparaiso, eine Stadt, in der es vielerorts Treppen statt Straßen gibt und in der früher mehrere Dutzend Aufzüge von den unteren zu den oberen Stadtvierteln führten, verlor rasch an Bedeutung. Was den Vorteil hatte, dass vieles erhalten geblieben ist, weil das Geld für neue Projekte fehlte. Während Santiago de Chile geradezu explodierte und zu einer Sechs-Millionen-Einwohner-Metropole heranwuchs, stagnierte Valparaiso. Bis kurz nach dem Ende der Militärdiktatur mit dem Projekt „Cielo Abierto“ ein neues Selbstbewusstsein in der Stadt erwachte. Die Häuser wurden bunter und gepflegter, die ersten Hostels öffneten ihre Pforten.
Im Jahr 2003 dann schließlich der Paukenschlag: Die Anerkennung Valparaisos als UNESCO–Weltkulturerbe. Damit setzte in der Hafenstadt ein Immobilienboom ein, bei dem manch einem schwindlig wird. Boutiquehotels und Edelrestaurants profitieren von der Neugierde der Besucher auf bunte Häuser, steile Treppen und verwegene Graffiti. Die traumhafte Lage der Stadt, die Besucher an San Francisco, Lissabon oder Salvador de Bahia erinnert, der Hafen, die gewaltigen Schiffe in der Bucht, die altmodischen Aufzüge, von denen 15 erhalten, aber derzeit nur vier in Betrieb sind, die Hügel voll bunter Häuser: All dies lässt sich in Valparaiso nicht nur in real erleben – es ist auch das Hauptmotiv vieler Wandmalereien, mit denen sich die zu neuem Leben erwachte Stadt inzwischen selbst feiert. Was für eine phantastische Wiederauferstehung!
Rainer Heubeck
Infos
Anreise: LAN Airlines fliegt von Frankfurt über Madrid nach Santiago de Chile (www.lan.com, Tel. 0800/5600751).Eine Bus- oder Taxifahrt von Santiago nach Valparaiso dauert circa 90 Minuten.
Infos zu Chile:
Chilenisches Generalkonsulat / Prochile, Birgit Uthmann, Tel. 040 335835, Mail:
birgit.uthmann@prochile-hamburg.de, www.chile.travelInfos zu Valparaiso:
http://www.ciudaddevalparaiso.cl
http://valparaisodecoleccion.blogspot.de/Graffititouren durch Valparaiso:
http://graffiti.tourguideschile.comDeutschsprachige Führungen durch Valparaiso:
http://www.myvalparaiso.clBeste Reisezeit: Oktober bis April
Online-Reisejournal 2015
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Kunst und Meer
Den Haag verbindet städtisches Flair mit Strandnähe – ideal auch für einen Winterurlaub
Jan Vermeer: Mädchen mit dem Perlenohrring Foto: Mauritshuis
Dieser Blick hypnotisiert. Er lässt den Betrachter nicht aus den Augen, egal wohin dieser sich im Raum bewegt. Und ebenso wenig vermag der Betrachter den Blick abzuwenden. Die leuchtenden großen Augen, die geheimnisvolle Anmut des vom Kerzenlicht angestrahlten Gesichts, der rote, leicht geöffnete Mund. Was möchte er uns sagen, dieser Mund? Dazu der Schimmer auf den Lippen und der Lichtreflex auf dem Perlenohrring, der dem Bild seinen Titel gab: Das Mädchen mit dem Perlenohrring. Dieses Bild von Jan Vermeer ist eines der faszinierendsten Frauenbildnisse, das je gemalt wurde. Und wer unmittelbar vor ihm steht, der wird geradezu überwältigt von ihm.
Nicht in Amsterdam, sondern in Den Haag hängt dieses weltberühmte Bild, im vielleicht schönsten Museum mit alter holländischer Kunst, dem Mauritshuis. Ein Stadtpalast, den sich der deutsche Adlige Johan Maurits von Nassau-Siegen 1644 errichten hat lassen. Später hat man ihn zur Bildergalerie umgewandelt. Zentral gelegen, unmittelbar an das alte Parlamentsgebäude aus dem 13. Jahrhundert angrenzend, ist er eine der Hauptsehenswürdigkeiten Den Haags. Allein dieses berühmte Bild von Vermeers ist den Besuch des Museums, ja den Besuch Den Haags wert. Dabei beherbergt das Mauritshuis unzählige andere Bilder großer Meister, wie Rembrandt, Breughel, Holbein oder Hals.
Vor kurzer Zeit hat man nach dem Vorbild des Louvre unter dem Mauritshuis einen aufwendigen unterirdischen Eingangsbereich gebaut, von dem aus die Besucher ins Innere des Palais‘ gelangen. Ein inszenierter Aufgang zu den Meisterwerken der holländischen und flämischen Malerei des Goldenen Zeitalters – und erst ganz oben, zum Schluss des Rundgangs, steht man plötzlich vor dem „Mädchen mit dem Perlenohrring“ – und kann sich nicht mehr wegbewegen…
Natürlich ist dieses weltberühmte Gemälde, nach dem sogar ein Hollywood-Film gedreht wurde, die Attraktion in Sachen Kunst in der holländischen Hauptstadt. Dabei ist Den Haag nicht nur wegen dieses Bildes eine Kunststadt. Neben dem Mauritshuis mit seinen hochkarätigen Beständen sollte man das Gemeentemuseum für moderne Kunst nicht verpassen. Der weitläufige 20er-Jahre Bau mit seiner farbigen Art-Deco-Architektur beherbergt die weltweit größte Sammlung von Bildern Piet Mondrians, die zusammen mit Arbeiten seiner holländischen Zeitgenossen einen faszinierenden Einblick in niederländische Moderne bilden. Gegenwärtig gibt es im Gemeentemuseum auch eine riesige Rothko-Ausstellung, von den surrealen Anfängen bis zur Sakralkunst der 60er und 70er Jahre. Zu sehen noch bis zum 1. März 2015.
Gemeentemuseum
Und dann sind da noch jede Menge kleiner Galerien mit aktueller Kunst in der historischen Altstadt von Den Haag. Überhaupt die Altstadt. In den herrlichen Klinkerbauten, die eher an England erinnern als an die Grachtenhäuser Amsterdams, findet man eine große Vielfalt an kreativen Läden, Boutiquen mit junger Designermode, originellen Cafés und hervorragenden Restaurants, gemütlichen Pubs und.. und.. und.
Altstadt von Den Haag
Der Vorteil eines Stadtspaziergangs in Den Haag ist, dass die 500.000 Einwohner-Stadt nicht so groß ist. Alles lässt sich zu Fuß ohne Probleme bewältigen. Und wenn man genug vom Stadtbummel hat und sich am berühmtesten Fischstand der Stadt unmittelbar vor dem Parlament gestärkt hat – zum Beispiel mit sensationell zartem Matjes – fährt man ans Meer und lässt sich vom frischen Seewind den Kopf von den vielen Eindrücken wieder freipusten.
Keine Viertelstunde braucht die Straßenbahn vom Parlament bis zum Strand von Scheveningen. In den Wintermonaten geht es hier ruhig und entspannt zu, und man kann wunderbare lange Strandspaziergänge bis in die Dünenlandschaft hinein unternehmen oder mit dem Rad an der Küste entlangfahren. Statt Schnee und Eis knirschen unter den Sohlen der Spaziergänger unzählige kleine Muscheln…Der Strand hier ist extrem breit und so flach, dass man in Meeresnähe auch gut darauf joggen oder Radfahren kann. Die Den Haager kommen gern zum Sonntagsausflug hierher, gehen spazieren oder lassen Drachen steigen.
Der Strand von Scheveningen
Die vielen Lokale und der Bungee-Jumping-Turm um das imposante Kurhaus aus dem späten 19. Jahrhundert herum lassen erahnen, welch ein Trubel hier im Sommer herrschen muss. Aber so genau wollen wir uns das eigentlich gar nicht vorstellen. Wir fragen uns lieber, was in dem nun geschlossenen Bibelkiosk im Sommer abgeht? Bietet man hier Bibelstunden in Badehose und Bikini an? Die 70er Jahre-Appartementhäuser, die das wunderbare Jahrhundertwende-Kurhaus umstellen, ja umzingeln, schauen wir uns auch nicht so genau an. Hier haben sich Größenwahn und schlechte Architektur gegenseitig befruchtet – mit üblen Folgen.
Während man im Zentrum von Den Haag gerade dabei ist, ein paar unansehnliche 70er Jahre Bürotürme wieder aus dem Stadtbild zu entfernen und durch ansprechende Architektur zu ersetzen, ist man in Scheveningen noch nicht so weit. Schade, denn das traditionsreiche Seebad könnte gut auf einige dieser Plattenbausünden verzichten.
Kurhaus mit angrenzenden Gebäuden
Der Vorteil der vielen Appartementhäuser allerdings ist, dass hier auch im Winter Leute wohnen und deshalb viele Restaurants und Lokale geöffnet haben, man also keine Angst zu haben braucht, kein Mittag- oder Abendessen zu bekommen. Auch die meisten Hotels in Scheveningen haben das ganze Jahr über geöffnet. Der Wintertourismus ist zwar unbedeutend im Vergleich zu den Gästezahlen im Sommer, aber man hofft, dieses Geschäftsfeld noch ausbauen zu können.
Sommerhäuser, später
Während in unmittelbarer Küstennähe die Bauwut der vergangenen Jahrzehnte nur mehr wenige der schönen alten Häuser aus der Glanzzeit des Seebads übrig gelassen hat, kann man in zweiter bzw. dritter Reihe noch viele wunderbare Sommerhäuser mit Fachwerk, Türmchen und Veranden finden. Wer vom Gemeentemuseum Richtung Meer spaziert, läuft an ihnen vorbei. Dieses Stadtviertel, das an den Hafen von Scheveningen grenzt, hat einen ganz eigenen Reiz. Auch ein großer Park mit alten Bäumen und Radwegen schließt sich daran an. Es lohnt sich also, sich auf einen Drahtesel zu schwingen und die Gegend auf diese Weise zu erkunden – zumal Den Haag nicht weniger als Amsterdam eine Fahrradstadt ist. Vor dem Bahnhof gibt es zum Beispiel einen Fahrradparkplatz mit einer Konstruktion, die die Räder übereinander stapelt wie in einer Duplexgarage…
Laange Vorhout
Abends kann man dann wieder chic essen gehen in der Altstadt von Den Haag…zum Beispiel indonesisch. Das hat hier eine große Tradition – schließlich war der Inselstaat über mehrere hundert Jahre niederländische Kolonie. Und man kann an den erleuchteten vielen Stadtpalais aus dem 17. und 18. Jahrhundert vorbeischlendern, in denen heute die Botschaften vieler Länder residieren. Die Prachtstraße heißt „Lange Voorhout“ – was für deutsche Ohren reichlich erheiternd wirkt, denn man spricht es “Lange Vorhaut“ aus. Diese Straße ist zweireihig mit Linden bepflanzt und war das Vorbild für Berlins Unter den Linden.
Von Robert Jungwirth
Informationen unter: www.denhaag.com
Empfehlenswertes Hotel in Scheveningen: Hotel Andante: hotelandante.nl
Online-Reisejournal 2014
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Musik und Dublin sind Synonyme
Altan
Dublin ist eine Musikstadt. Weniger für Oper und klassische Konzerte, dafür für eine lebendige Auseinandersetzung mit der traditionellen irischen Musik in allen Spielarten.Zentrum der Dubliner Musikszene ist die Temple-Bar-Street in der Dubliner Innenstadt. Sie trägt ihren Namen zu Recht. Hier gibt es zahlreiche Tempel des Biers und der Musik. Und beides ist hier untrennbar miteinander verbunden. Bier, Weib und Gesang oder auch nur Bier und Gesang. Dabei hat der Name Temple eigentlich gar nichts mit Tempeln zu tun, sondern geht zurück auf eine Famillie dieses Namens, die hier einst gelebt und sich allgemeines Ansehen erworben hat.
Jeden Abend kann man hier in beinahe jedem der zahllosen Pubs Live-Musik erleben. Die Kneipen sind nicht nur für die Besucher eine Attraktion, sondern bieten auch den hiesigen Nachwuchsmusikern beste Erprobungsmöglichkeiten. Wer es hier schafft, sein Publikum über zwei Stunden lang bei der Stange zu halten, hat sich für Höheres bewährt. Die „Dubliners“, die bis heute berühmtesten Irish-Folk-Musiker, gaben Anfang der 60er Jahre im O’Donoghues ihre ersten Konzerte. Zwei der Bandmitglieder sind mittlerweile gestorben, die verbliebenen treten noch immer regelmäßig auf. Im November touren sie wieder durch Deutschland (www.lb-events.de).
Und auch U2 hat in den Pubs von Dublin begonnen. Eine sw-Fotographie zeigt die blutjungen Musiker in einem Dubliner Pub in den frühen 70er Jahren. Sehen kann man das Foto im „Little Museum“, einem Kuriositätenkabinett an Museum, beherbergt es doch Fotos, Gegenstände, Dokumente von Dubliner Bürgern, die sie dem Museum zur Verfügung gestellt haben. Voraussetzung für eine Aufnahme im Museum: das Exponat sollte etwas mit der Geschichte Dublins zu tun haben. Ein Besuch dieses sympathischen Museums ist in jedem Fall empfehlenswert.
Wie sehr die irische Musikkultur in der Bevölkerung verankert ist, kann man erfahren, wenn man zum Beispiel den Piper’s Club in der Henrietta Street besucht. Der Verein unterstützt Interessenten, die den traditionellen irischen Dudelsack, die Uilleann Pipes, lernen wollen. Und davon gibt es jede Menge, nicht nur in Irland, sondern auf der ganzen Welt, wie der Leiter der Einrichtung Gerry Lyons stolz berichtet. Eigentlich kann man bei den Uilleann Pipes gar nicht von einem Dudelsack sprechen, denn zum einen wird in ihn nicht hineingeblasen, sondern die Luft per Armdruck durch die Pfeifen gepresst und zum anderen sind es im Gegensatz zum schottischen Dudelsack nicht nur zwei sondern mehrere Töne, die man darauf gleichzeitig spielen kann. So klingt das eigenartige Instrument fast wie eine Orgel, wenn man mehrstimmig auf ihm spielt.
Uilleann Pipes, die irische Blockflöte, die Penny-Whistle oder auch Tin Whistle, die Violine, Fiddel genannt, und die Gitarre, das sind die traditionellen Instrumente der irischen Folk-Music. Fast jedes Kind auf der Insel kommt mit einem von ihnen fast automatisch in Berührung. Es gehört buchstäblich zum guten Ton nicht nur der wohlhabenderen irischen Familien, ihrem Nachwuchs eine musikalische Ausbildung zuteilwerden zu lassen. Deshalb sind die Iren ein so musikalisches Volk. Musikalische Traditionen sind wichtig, aber man ist nicht dogmatisch. Die Übergänge von Folk zu Pop sind fließend, wie man bei Besuchen von Pubs mit Livemusik schnell feststellen wird. Erlaubt ist, was gefällt. Die traditionelle Musik aber bildet fast immer die Basis.
Eleanor McEvoy
Auch für die aus Dublin stammende Sängerin Eleanor McEvoy, gerade eine der vielversprechendsten Singersongwriter der Insel. McEvoy hat nicht nur eine wunderbare, dunkel timbrierte ausdruckstarke Stimme, sie begleitet sich selbst auf der Gitarre mit wunderbar erdigem Groove. In Deutschland ist die Sängerin bislang noch so weitgehend unbekannt, was sich vermutlich bald ändern wird.
Nachwuchsmusiker und etablierte Größen der irischen Musikszene kann man zum Beispiel beim alljährlich Ende Januar stattfindenden Temple Bar Trad in Dublin hören. Seit 2004 gibt es das TradFest, bei dem innerhalb von fünf Tagen eine Auswahl von Irlands besten Musikern in den Pubs der Hauptstadt sowie in kleineren oder mittleren Konzertsälen aufritt. Eine schöne Einrichtung, zumal der Januar auf der Insel um einiges milder ist als auf dem Kontinent und der nächtliche Kneipenbummel von daher nicht allzu frisch wird.
Auch „Stockton’s Wing“ oder „Altan“, zwei weitere hervorragende irische Bands, die spielerisch mit den traditionellen musikalischen Wurzeln umgehen und ihre eigenen Wege gefunden haben, daraus etwas Eigenes, Neues zu schaffen, waren beim TradFest schon zu hören. Das Festival, bei dem man eine große Bandbreite an unterschiedlichen Spielarten irischer Folk- und Popmusik erleben kann, hat sich im Lauf seines Bestehens zu einem Besuchermagneten für ein internationales Publikum entwickelt. Wer eine Alternative zum Skiurlaub sucht – hier ist sie!Robert Jungwirth
Online-Reisejournal 2015
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Streifzüge durch Paris – Coup de Cœur Paris
Es ist dieser leichte Duft von Zigarren, der blaue Himmel und der Spatz, der sich ein Stückchen Croissant vom Tisch stibitzt. Und es ist Madame, die ihre langen braunen Haare nach hinten wirft und in wippendem Schritt mit großer Tasche und XL-Sonnenbrille über das Trottoir schlendert. Und es ist auch Monsieur, der morgens bei einem kleinen Schwarzen den „Figaro“ im Café liest. Paris ist lässig, unkompliziert und voller Charme – und ja die Stadt der Liebe. Nirgendwo sonst sieht man so viele Paare in aller Ruhe gemeinsam Hand in Hand zur Metro schlendern. Aber es gibt noch mehr gute Gründe für einen Abstecher in die französische Metropole.
Laden im Marais
Shoppen im Marais
Kein Parisbesuch ohne einen Spaziergang durch das Marais: Wer es sich leisten kann, bucht das Hotel Duo gleich in der Nähe von Nôtre Dame (Doppelzimmer in der Hochsaison bis Ende Oktober ab 290 Euro). Von hier aus kann jede Tour beginnen. An der Ecke Rue des Francs Bourgeois/ Rue Vieille du Temple finden sich bezahlbare Läden mit außergewöhnlichen Designteilen wie beispielsweise Sandro.
Unbedingtes Must-Stop: Der Schuhladen Mellow Yellow mit Schuh- und Taschenmodellen, die sexy und kein bisschen Mainstream sind. Einige Läden sind von der Zeitschrift ELLE mit dem Sticker „Coup de Coeur“ (außergewöhnlich empfehlenswert) ausgezeichnet – als Qualitätssiegel. Etwas weiter die Rue Vielle du Temple hinunter in Richtung Rue de Rivoli finden sich in der Seitenstraße Rue des Rosiers Falafelläden, eine Secondhand-Boutique und noch ein exquisiter Shop: L’Eclaireur. Die Sachen sind schick und „haute de gamme“ – am oberen Ende der Fahnenstange, was Ausgaben für Klamotten betrifft – angesiedelt.
Métro: Hôtel de Ville
Hotel: www.duoparis.com, 11 Rue du Temple;
Shops : Mellow Yellow : 43, Rue des Francs Bourgois;
Sandro : 50, Rue Vielle du temple;
L’Eclaireur: Rue de Rosiers;
Vintage-Boutique: Desire, 32, Rue des Rosiers ;Café und Falafelshop : Les Philosophes, 28 Rue Vielle du temple;
weiteres schönes Café im Quartier: Chez Marianne, 2, Rue des Hospitalières Saint Gervais.Ausgehen an der Bastille
Paris bei Nacht ist genauso vielseitig wie am Tag. Momentan angesagt ist das Viertel rund um die Place de la Bastille. Wir biegen in die Rue de Lappe ein: Hier finden sich unzählige kleine Creperien, Tapaslokale und Cocktailbars – und auch der letzte Musette-Tanzpalast von Paris, 1936 gegründet und noch wie damals eingerichtet: Im Balajo, das jetzt eine Disko ist, wird wie zu Zeiten von Edith Piaf manchmal noch zu Akkordeonklängen Musettewalzer getanzt und zum Cha Cha aufgefordert.
Wer es moderner mag, geht ein paar Straßen weiter in den In-Club La Scene Bastille. Hier legt ein DJ ab Mitternacht alle Musikarten von House bis Techno auf (Métro: Bastille).Hotel im Ausgehviertel: Standard Design Hotel, 29, Rue des Taillandiers, www.standard-hotel.com, Doppelzimmer ab 120 Euro.
Clubs: Le Balajo, 9, Rue de Lappe
La Scene Bastille, 2, Rue des Taillandiers, www.la-scene.com
Le Baron: neue Adresse mit Tanz bis in den Morgen, 6, ave Marceau, www.clublebaron.com, Métro: Alma
Für Jazzfans: Le Duc des Lombards, 42, Rue des Lombards, www.ducdeslombards.fr, Métro: Châtelet
Café Les Deux Magots
Kultur und Café in Saint Germain des Prés
Morgens kann man es in Paris auch ganz vornehm angehen lassen. Zigarrenduft liegt im sechsten Arrondissement in Saint Germain des Prés in der Luft. Dort, wo sich einst die Existenzialisten Simone de Beauvoir und Jean Paul Sartre zum Diskutieren trafen, kann man heute ein Frühstück in der Sonne genießen: Das Café „Les Deux Magots“ gehört immer noch zu den schönsten Cafés von Paris. Es wird nicht nur von Touristen besucht: Ein Bisou, das traditionelle Begrüßungsküsschen, bekommen hier auch jüngere Damen von älteren Herren.
An den Café Crème und das Croissant, wofür man hier allerdings 8 Euro bezahlen muss, sollte sich ein Spaziergang durch Saint-Germain anschließen: Gleich gegenüber des „Deux Magots“ liegt die älteste der großen Kirchen von Paris, Saint-Germain-des Prés, nach der auch das Viertel benannt ist. Sie geht bis auf das 6.Jahrhundert zurück. Im Garten des dazugehörigen Klosters steht die Büste Apollinaires, die Picasso 1959 für seinen Dichterfreund schuf.Durch die Rue de l’Abbaye gelangt man links am Musée National E. Delacroix vorbei in die Rue Jacob mit edlen Galerien, Antiquitätengeschäfte und Buchläden. Hier lebten einst Gertrude Stein und Picasso, der 1937 einen Stadtpalast in der Rue des Grands Augustins bewohnte. Zum Standartoutfit gehört in diesem Quartier die Hermès-Kellybag, die Madame mitsamt Hündchen am Arm spazieren führt. In der Rue Bonaparte befindet sich eines der fünf Geschäfte des besten Chocolatiers von Paris: La Durée. Die kleine Törtchen und Pralinen sind eine Augenweide.
Métro: Saint Germain
Café: Les Deux Magots, 6 pl. St. Germain des Prés
Chocolatier: La Durée, 21, Rue Bonaparte, www.laduree.fr
Auf den Spuren von Toulouse-Lautrec am Montmartre
Der Montmarte gehört unbedingt ins Programm einer Paristour. Einst lag das Künstlerdorf in einer ländlichen Gegend. Im 19.Jahrhundert drehten sich hier noch 30 Windmühlen. Eine davon bewegt ihre Flügel heute noch immer, allerdings ohne zu mahlen: Die rote Mühle, das Moulin Rouge, an der Place Blanche gelegen, war vor 100 Jahren das Stammlokal des Malers Toulouse-Lautrec. Er kam 1886 nach Paris und beobachtete das Leben in den Cafés, Kabaretts und Tanzlokalen.
Von hier aus die Rue Ravignan hinauf gelangt man auf die kleine Place Emile Goudeau mit Kastanien, Bänken, Laternen und vielen Hunden. Hier stand das berühmte Bateau Lavoir, das Waschhaus, ein Holzbau, in dem Handwerker, Schauspieler und Künstler wie Picasso lebten und arbeiteten. Durch die Rue des Trois Frères und die Rue Tardieu erreicht man die kleine Straße „Steinkerque“, die zur Zuckerhutkathedrale Sacre Coeur auf dem Montmarte-Hügel führt. Die Kirche ist bei Einheimischen und Fremden beliebt. Auf der Freitreppe kann man lange sitzen und den Ausblick über Paris genießen. Rechts neben Sacré Coeur ein paar Treppenstufen hinauf befinden sich kleine Cafés, die gerade an Sonnentagen mit ihren Terrassen und bunten Stühlen so einladend wirken, dass man hier unbedingt eine Pause machen sollte.
Auffällig und für Fashionvictims äußerst interessant sind in dieser Gegend die Stoffläden. Wer dafür einen Blick hat, muss unbedingt den Marché St. Pierre besuchen, einen großen Stoffladen rechts unterhalb von Sacre Couer. Hier gibt es feine Seidenschals zu Spottpreisen.
Le Moulin Rouge
Métro: Blanche oder Anvers
Stoffladen: Marché St. Pierre, 2, Rue Charles Nodier
Bettina Louise Haase
Informationen:
Wichtiger Bus: Der Bus Nummer 69, der an der Place de la Bastille abfährt, eignet sich gut für Sightseeing. Er fährt an der Seine entlang und stoppt an allen wichtigen Sehenswürdigkeiten. Endstation ist der Eifelturm.
Fortbewegen: mit der Métro: Am besten, man nimmt ein Carnet (zehn Tickets für insgesamt 13,70 Euro) für jeweils eine Strecke in eine Richtung;
Taxifahren mal anders: Paris steckt im Dauerstau. Insider rufen sich heute ein Motorrad-Taxi, kurz Mototaxi. Der Helm wird gestellt, kleine Gepäckstücke sind erlaubt. Preis: ab 20 Euro, www.city-bird.comParis lässt sich auch gut vom Wasser aus erkunden: zum Beispiel mit dem Bus-Boot Batobus, das an mehreren Haltepunkten abfährt. € 16 für einen Tag. Ermäßigungen mit dem Navigo Pass, dem Nachfolger der Carte Orange. www.batobus.com
Weitere Informationen: www.rendezvousenfrance.com/
Reisearrangement: „Hotel Lorette Opéra“ (3-Sterne), gepflegtes und sympathisches Mittelklasse Hotel in modern einladendem Design, nahe Montmartre gelegen, viele französische Restaurants und Sacré Coer, in der Umgebung. 2 Nächte/DZ/Frühstück ab 146 EUR pro Person, Anreise mit dem TGV ab zum Beispiel 160 EUR pro Person, www.dertour.de
Online-Reisejournal 2014
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Kokosnussregen und ein vegetarisches Krokodil
Kurioses im Süden Indiens
Amar schiebt mit einer hölzernen Schaufel den Berg von Betelnüssen zum Trocknen auseinander. Rund 2000 Betelnuss-Bäume wachsen auf der Plantage Thonikadavu. Sie liegt nicht weit vom historische Bekal Fort im Distrikt Kasaragord, der größten und bekanntesten Festungsanlage an der Küste des Bundesstaats Kerala. Diese Gegend eignet sich besonders gut für „Indienanfänger“, die sich nicht auf ausgetretenen Touristenpfaden bewegen wollen – und birgt allerlei Kuriositäten.
Amar beim Trocknen der Betelnüsse
Amar ist auf der Plantage für rund 10000 Rupien, etwa 140 Euro im Monat, angestellt. Um sich die Zeit beim Arbeiten zu vertreiben, kaut er Kautabak: eine Mischung aus Betelpfefferblättern, der Kletterpflanze Vettilla und Muschelkalk. Das Päckchen dazu hat er immer in seiner Hosentasche.
Für Besucher ist die Plantage Thonikadavu besonders interessant, weil sie wie ein riesiger verwunschener Garten angelegt ist. Besitzer Rathnu baut auf seiner Plantage nicht nur Aranca und Kokosnüsse, sondern auch Gummi, Ananas und Pfeffer an, die er auf den lokalen Märkten vertreibt. Zwischen den Palmen gedeihen auch viele endemische Pflanzen und Früchte, die man bei einem Spaziergang über das in Terrassen angelegte Gelände hervorragend studieren kann.Rathnus Vater hat die Plantage 1952 angepflanzt und dabei die alten Strukturen des Geländes belassen. Früher war hier alles dichter tropischer Regenwald, jetzt grenzt der Wald an die Plantage.
Rathnu führt die Gruppe an seinem Wohnhaus vorbei über dicht bewachsenes Grasland, dann geht es über eine natürlich angelegte Treppe ins Innere des tropischen Gartens. Wie ein grünes Dach wölben sich die Palmen über dem Pfad. Kaum ein Laut ist zu hören, nur das Zirpen der Iruli, der heimischen Grashüpfer, unterbricht die Stille. Ein Yellow-Butter-Cup-Schmetterling in gelb-schwarzen Farben flattert vorbei. „Seht ihr dort die großen grüngelben Früchte an den Bäumen?“ fragt Rathnu. „Das sind Jackfrüchte. Sie können bis zu 45 Kilo schwer werden.“ Am Jackfruchtbaum hängt eine Vanilleschote, die sich wie eine Kletterpflanze an einen Ast des Baumes geheftet hat. „Die Vanille ist bei uns nicht einheimisch, sie kommt ursprünglich aus Madagaskar“, erzählt Rathnu, „heute kann man sie aber in Indien in Gärtnereien kaufen.“Der Pfad windet sich, immer tiefer geht es hinein in den Garten. Auf einer Lichtung taucht ein Haus einer indischen Familie auf, die auf der Plantage lebt. Amar, der der Gruppe gefolgt ist, nimmt ein dickes Bastseil als Schlinge, legt es um den Stamm der Kokospalme und schlüpft mit den Füßen hinein. Für die Arme legt er eine Art Handtuch um den Stamm der Palme. So ausgerüstet schiebt er sich am Stamm nach oben. Von oben wirft er Kokosnüsse herunter, man muss schon etwas aufpassen, dass man nicht von einer Kokosnuss getroffen wird. Rathnu zückt seine Machete, die er beim Gang über die Plantage immer dabei hat und „köpft“ die Nuss: Das Kokoswasser schmeckt erfrischend.
Vor dem Haus sitzen zwei Inderinnen mit ihren kleinen Kindern. Sie bieten uns Tody an. Tody ist gegorenes Kokoswasser, das in Indien in kleinen Bars ausgeschenkt wird. Je nach der Gärzeit intensiviert sich der Alkoholanteil. Wir bekommen einen Tody vom Morgen, der kaum vergärt ist. Die Abend-Todys, so wird erzählt, sind sehr viel stärker. Wir rauchen zum Tody Beedis, kleine indische Zigarillos aus Ebenholz-Tabakblättern. In Indien ist das Beedi-Rauchen sehr verpönt, da die Beedis als billig gelten und deswegen nicht angesehen sind. Überhaupt muss man beim Rauchen in der Öffentlichkeit vorsichtig sein, im Distrikt Kasaragord kann man dafür sogar mit einer Gefängnisstrafe bestraft werden.
Lokale Familie auf der Plantage
In Kasaragord gibt es noch mehr Kurioses zu entdecken: Eine unglaubliche Geschichte birgt der Ananthapuram-Tempel nicht weit vom Ort Kasaragord entfernt, der einst zu Ehren von Gott Vishnu erbaut wurde. In einem Bassin neben dem Tempel lebt seit etwa siebzig Jahren das Krokodil Bibia. Bibia liegt regungslos in einer Ecke des kleinen Teiches neben dem Tempel und lässt sich auch von schreienden Kindern und blitzenden Handys nicht aus der Ruhe bringen. Ab und zu kneift Bibia die Krokodilsaugen zusammen. Es lässt sich täglich von den Tempelpriestern mit den Opfergaben, meist Palmzucker und Reis, füttern und sei „äußerst friedlich, hätte noch nie gebissen“, erzählen die Priester.
Aber nicht nur die fantastische Vegetation und das Krokodil faszinieren im Distrikt Kasaragord. Schon dieser kleine Teil Indiens steckt voller Geschichten, ist bunt und multikulturell – und spiegelt damit das komplexe Bild Indiens wider.
Informationen und Empfehlungen:
Anreise: Flug zum Beispiel mit Lufthansa von Frankfurt nach Dubai. Von dort geht es mit der indischen Fluggesellschaft Jet Airways nach Mangalore.
Übernachtung im neuen Vivanta By Taj Bekal mit wunderschönen Gartenvillen (www.tajhotels.com), das Hotel holt Gäste vom Flughafen in Mangalore ab.
Veranstalter für individuelle Indienreisen: www.enchantingtravels.de
Online-Reisejournal 2014
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Die Gärten von Menton
Zwischen Zimtbäumen und Farnen
Der Garten Maria Serena mit grandiosen Ausblicken aufs Meer
Das kleine Städtchen Menton an der französischen Riviera liegt zwischen Monaco und der Grenze zu Italien. Im Hinterland ist Menton von einer bizarren Bergkette umgeben, deren Gipfel, wie der 1240 Meter hohe Mont Ours, majestätisch in den Himmel ragen. Menton profitiert vom milden Klima der Côte d’Azur, das in der Stadt ein regelrecht subtropisches Mikroklima erzeugt. Der Mont-Agel sorgt dafür, dass Westwinde die Stadt nicht erreichen können, und die letzen Ausläufer der Alpen schirmen sie in nördlicher und nordöstlicher Richtung ab. Die Winter sind mild und sonnig – die niedrigste monatliche Durchschnittstemperatur liegt im Januar bei 11,3 Grad. Im Durchschnitt ist es in Menton um etwa fünf Grad wärmer als in Nizza.
Verwöhnt durch das milde Klima, bieten sich in Menton optimale Bedingungen für die Aufzucht von Pflanzen und die Anlage von Gärten.
In den ersten Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts zog es vor allem die Briten in dieses kleine Örtchen, denn hier war es im November so angenehm wie im Mai daheim in Kent. Mit der Ausweitung des Seehandels zur Regierungszeit Queen Victorias brachten die Engländer aus ihren Kolonien immer neue Pflanzen mit nach Hause, die sie in Glashäusern züchteten: Limonen, Orangen, Feigen, Aloe Vera, Feigen, Farne. Sie waren ganz verrückt nach botanischen Trouvaillen.Hier, an der Küste zwischen Genua und Marseille, waren Gewächshäuser unnötig – und die Briten konnten ihrer Gartenleidenschaft unter freiem Himmel frönen. Die kleine Stadt Menton wurde zur Spielwiese englischer Gartenfantasien. Bevorzugter Stadtteil Mentons war Garavan mit seinen Landgütern, die die Briten in grüne Gartenparadiese verwandelten. Allein in Garavan sind heute noch vier Gärten aus dem frühen 20.Jahrhunderts erhalten: Colombières, Fontana Rosa, Maria Serena und Val Rahmeh. Eine Besichtigungstour der Gärten von Menton verbindet alte britische Gartenkunst mit dem Blick auf das Mittelmeer, das von fast allen Gärten aus zu sehen ist.
Beginnen könnte man im Stadtteil Garavan mit dem zwei Hektar großen Garten Maria Serena, der schon ganz in der Nähe der italienischen Grenze liegt. Fantastisch ist in diesem Garten die Vielzahl der Palmen (in Menton gibt es 50 verschiedene Palmenarten), und immer wieder schweift der Blick zum Meer, wenn man die Serpentinen des Gartens bis zur Hauptvilla emporsteigt. Die Anlage verfügt über Elemente aus der Kolonialzeit, wie beispielsweise sogenannte “Oulds”, große Wasserbecken im Stil afrikanischer Sümpfe, die heute mit Wasserlilien bedeckt sind und dem Garten subtropische Atmosphäre verleihen. Ebenfalls an Afrika erinnern exotische Gräserarten wie Papyrus.
Zu den besonderen Elementen von Maria Serena gehören kleine Grotten, aus denen Quellen fließen, die sich aus den nahen Bergen speisen. Zu den außergewöhnlichen Bäumen zählen ein Neroli und ein Dragonier-Baum, aus Brasilien stammt ein Jacaranda-Baum. Auch einen Zimtbaum gibt es. Die Villa, von der man einen wunderbaren Blick auf Menton und seinen Hafen hat, wird von der Stadt für offizielle Anlässe genutzt. Der Garten ist Charles Garnier gewidmet, dem Architekten der Pariser Oper und der Kuppel des Observatoriums von Nizza. Für seinen Freund Ferdinand de Lesseps zeichnete er die Pläne des Gartens. Maria Serena – 21, promenade Reine Astrid – ist der wohl wärmste Garten Frankreichs: Nie fällt die Temperatur unter 5 Grad Celsius.
Nur ein paar hundert Meter entfernt befindet sich der zweite sehenswerte Garten in Menton-Garavan: Fontana Rosa in der Avenue Blanco-Ibanez. Er ist das Werk des spanischen Schriftstellers Vicente Blasco-Ibanez. Er kaufte das Grundstück 1921 und widmete den Garten den großen Meistern der Literatur. Schon über dem Eingangstor ist ein Portrait von Cervantes auf Kacheln gemalt. Innen sind Elemente wie in einem andalusischen Garten arrangiert. Es gibt Rotonden, die mit Kacheln gefließt sind. Herrliche Arkadengänge werden von Agapantus flankiert. Am Ende der Gänge sieht man kleine Statuen in Nischen stehen. Über dem ganzen Garten liegt ein betörender Duft der Pinien, die den Garten umgeben.
Fontana Rosa
Auch mit den nächsten drei Stadtgärten beweist Menton, dass man hier schon früh die Möglichkeiten erkannt hat, mit Gärten Akzente in der Stadt zu setzen. Biovès ist der Hauptstadtpark im Zentrum von Menton, benannt nach dem Bürgermeister Emile Biovès, der ihn in den 1880er Jahren anlegen ließ. Beim Zitronenfest im Februar ist er der Mittelpunkt der Feierlichkeiten. Er wurde so konzipiert, dass man ihn leicht bewässern kann. Die Farben der Pflanzen sind nach Abschnitten in jeweils einem Ton gehalten, Rot und Orange wechseln sich ab. Von hier aus kann man gut das kleine Bergdorf Saint Agnes erkennen, in dem man einen mittelalterlichen Garten findet.
Square des Etats Unis
Nur ein paar Straßenzüge weiter – 3, avenue de la Madone – liegt der Park “Square des Etats Unis”, mitten in einem Innenhof. Er wurde 1995 wieder hergestellt und bietet jetzt eine kleine exotische Oase inmitten der Stadt. Farne und Palmen spenden Schatten, ein Eritrice-Baum aus Südamerika, Fikus und Jacaranda-Bäume beweisen auch hier, wie gut exotische Pflanzen in Menton gedeihen. Der letzte der Stadtparks ist der Park des Palais Carnolès, in dem das Museum der Schönen Künste untergebracht ist. Hier wachsen über 100 verschiedene Zitruspflanzen, Pampelmusen, Mandarinen, Clementinen, Kumquat und Bergamotte – der Früchtereigen scheint kein Ende zu nehmen. Flankiert werden die Zitrusfrüchte von sechs verschiedenen Zedernarten, Skulpturen, die die Alleen schmücken, welche den Garten um das Museum herum gliedern.
Der schönste aller Gärten von Menton aber liegt versteckt in einem Tal Richung Gorbio. La Serre de la Madone ist ein Dornröschen-Dschungel, der ein wenig sich selbst überlassen scheint. Die stille Verlassenheit beglückt, der amorphe Zustand bezaubert. La Serre de la Madone ist das zweite Werk eines der ganz großen Landschaftsarchitekten, des Briten Lawrence Johnston. Es ist ein kostbares Raritätenkabinett von 700 verschiedenen Baumarten, die eine oder andere konnte bis heute von keinem Botanik-Weisen identifiziert werden.
Der Garten steigt über zwanzig Terrassen in die Höhe, jede Ebene ist auf einen Blickfang hin komponiert. Wie ein Eingang zum Paradies öffnet sich etwa auf der halben Höhe des Gartens eine Tür, die in ein altes Gewächshaus führt. Die Flügeltüren stehen zur anderen Seite weit geöffnet und geben den Blick frei auf ein altes Bassin. Wegen seiner vielen Algen schimmert es etwas grünlich, die Zeit seit den Jahren des Gartengründers Johnston scheint hier still zu stehen. Nur das Zirpen der Zikaden unterbricht den Zauber.Von Bettina Louise Haase
Serre de la Madonne
Informationen und Empfehlungen:
Gärten: Die Gärten Maria Serena (21, promenade Reine Astrid) und Fontana Rosa (Avenue Blanco-Ibanez) können in Touren besichtigt werden. Maria Serena: Dienstag, 10 Uhr, Freitag 14.30 Uhr, Fontana Rosa: montags und freitags um 10 Uhr, Karten vor Ort an den Gärten erhältlich, die Touren finden bereits mit einer Person statt und kosten je Garten 6 Euro.
Réservation à l’Office de Tourisme au La Serre de la Madone: 74, Route de Gorbio, Öffnungszeiten: bis Oktober 10 bis 18 Uhr, in den Wintermonaten 10 bis 17 Uhr Eintritt: 8,00 Euro.
Restaurant: Elsa-Plage, direkt am Meer gelegen, die Plats du Jour sind eine Empfehlung; 1, Promenade du Soleil, Menton, Tel: 0033/(0)4 93358083
Jean Cocteau Museum: Unbedingt sehenswert ist das neue Jean Cocteau Museum in Menton, das seit 2012 eröffnet hat. Darin wird die Jean-Cocteau-Sammlung des Amerikaners Séverin Wundermann gezeigt. Geöffnet täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr, jeden Freitag im Juli und August bis 22 Uhr; Eintritt: 8 Euro; Musée Jeann Cocteau, 2, quai de Monléon, Menton, Tel: 0033/(0)489815250, www.museecocteaumenton.frHotel:
The Royal Westminster, 28 Avenue Félix Faure, Menton, Tel: 0033/(0)4 93 28 69 69, DZ ab 156 EuroWeitere Informationen: http://de.rendezvousenfrance.com/