Luxus und Wüste

Neubau im Midcentury-Stil Foto: Rüdiger Bismark

Neubau im Midcentury-Stil Foto: Rüdiger Bismark

Im kalifornischen Palm Springs bauten die Hollywood-Stars ihre Zweitvillen. Heute pflegt die Stadt ein einzigartiges Architekturerbe.

Früher gab es hier nur Wüste, ein paar Indianer und eine einzige Palmenart. Als man die Eisenbahn nach Los Angeles baute, blieben auch ein paar abenteuerlustige Gleisarbeiter in der Gegend hängen. Bis ins 20. Jahrhundert hinein bestand Palm Springs nur aus ein paar verstreuten Hütten. Doch dann erfuhr die Siedlung am Fuße der San Jacinto Mountains einen sagenhaften Aufschwung.
Der verdankte sich drei Pluspunkten: Es herrscht hier ein Wohlfühlklima mit trockenen, milden Wintern. Es gibt Wasser in Form natürlicher Quellen. Und die Küsten-Metropole Los Angeles ist gerade mal zwei Autostunden entfernt. Als das trug dazu bei, dass die Schönen und Reichen von Hollywood den verschlafenen Wüstenort als Winter-Refugium für sich entdeckten. (Foto: Neubau im Midcentury-Stil)

Berühmtheiten wie Elizabeth Taylor und Cary Grant, Walt Disney oder die Beach Boys kamen. Das Traumpaar Frank Sinatra und Ava Gardner feierte legendäre Pool-Partys. Man vergnügte sich bei Tennis, Golf und Ausritten. Zuweilen ging es mit der Seilbahn, der längsten der Welt, hinauf in die Berge zum Skifahren.
Anreisende wurden am Stadtrand von der wohl elegantesten Tankstelle Nordamerikas begrüßt. Star-Architekt Albert Frey gestaltete eine bauliche Ikone, deren ausladendes Sonnendach sich wie ein Drachen in den immerblauen Himmel schwingt. Heute hat hier die Touristeninformation ihren Sitz.

Bis in die Siebziger Jahre hinein herrschte in Palm Springs Partystimmung, während die Einwohnerzahl auf 50.000 anwuchs. Überall wurde gebaut. Und da die wohlhabenden Bauherren im Dunstkreis von Hollywood ebenso anspruchsvoll wie aufgeschlossen waren, heuerten sie die besten und fortschrittlichsten Architekten an: Richard Neutra, John Lautner oder Stewart Williams – Namen, bei denen Fans moderner Architektur in Begeisterung geraten. Viele ihrer schicken Villen, in denen sich einst die Stars vergnügten, können heute auch Normalsterbliche im Urlaub mieten.

Die hochwertige Midcentury-Architektur prägt das Stadtbild von Palm Springs bis heute. Fährt man die beiden Hauptstraßen entlang, den Palm Canyon Drive und den Indian Canyon Drive, reiht sich ein bauliches Schmuckstück ans andere: Villen und Hotels, Kirche, Post und Rathaus, Einkaufszentren und Behörden. Stilvolle Bankgebäude erinnern daran, dass in Palm Springs das Geld zuhause war und ist; darunter der freundlich abgerundete, himmelblau strahlende Bau der Bank of America.

Bank of America Foto: Rüdiger Bismark

Bank of America Foto: Rüdiger Bismark

Manchmal mussten die Architekten allerdings für ihre fortschrittlichen Entwürfe kämpfen. So wünschte sich Frank Sinatra eigentlich eine neuenglische Villa mit Türmchen und Säulen. Zum Glück konnte ihn der Architekt Stewart Williams von seiner eigenen Idee überzeugen: einem offenen Glashaus, das sich bestens an die Landschaft und das Wüstenklima anpasst. Der Clou: ein Pool in Konzertflügel-Form.

In den Siebzigern setzte die Wirtschaftskrise der Dauerparty ein Ende. Die Stadt fiel in eine Art Dornröschenschlaf. Erst um die Jahrtausendwende erwachte sie zu einem neuen Frühling – im Einklang mit einer wachsenden Wertschätzung der Midcentury-Architektur.
„Heute profitiert Palm Springs von seinem Dornröschenschlaf“, erzählt der Architektur-Experte und Chef von „Palm Springs Modern Tours“, Robert Imber. „Anders als etwa in Miami Beach, das eine vergleichbare Entwicklung genommen hat, wurde hier wenig alte Bausubstanz abgerissen.“

Imber erklärt, dass sich in Palm Springs die besondere Variante des Desert Modernism herausbildete. „Die umgebende Wüste inspiriert diesen Stil maßgeblich“, so Imber. „Die wilde Landschaft und das klare Design verschmelzen zu einer einzigartigen Ästhetik.“
Bei einer Rundfahrt zeigt Imber ein paar Beispiele. Darunter jenes Haus, das Richard Neutra 1946 für einen Pittsburgher Warenhaus-Magnaten errichtete. „Neutra hat das elegante, lichtdurchflutete Haus um einen großen Felsblock herum konstruiert“, erzählt Robert Imber. „So scheint es mit der umgebenden Berglandschaft zu verschmelzen.“
Auch in Albert Freys „Russel House“ für den gleichnamigen Öl-Milliardar dient ein naturbelassener Felsblock als Blickfang; hier überragt er den Swimming Pool. Das Grundstück am Berghang bietet einen spektakulären Blick über das Tal auf die umgebenden Bergketten.

The Russell House Foto: Palm Springs Bureau of Tourism

The Russell House Foto: Palm Springs Bureau of Tourism

Doch es entstanden nicht nur exzentrische Bauten für die Reichen, sondern auch moderne, komfortable und zugleich erschwingliche Zweithäuser für die wachsende Mittelschicht. Die Baufirma von George und Robert Alexander entwickelte einen Einfamilienhaus-Prototyp; mit Satteldach, Garage, Pool und überdachtem Durchgang für die frische Brise. „Dieser Prototyp wurde in drei Varianten hergestellt und mit verschiedenen Fassaden verkleidet“, erzählt der Architektur-Kenner Robert Imber. „Trotz Herstellung in Serie sah am Ende jedes Haus anders aus.“
Wir fahren durch eine Wohngegend, in der um 1960 mehr als zweitausend dieser „Alexander-Häuser“ entstanden – was die Größe von Palm Springs mal eben verdoppelte. Heute werden viele von ihnen als Ferienhaus vermietet.

Ein Alexander-Haus Foto: Rüdiger Bismark

Ein Alexander-Haus Foto: Rüdiger Bismark

Was seine eigene Privatresidenz anging, so ließ es der Bauunternehmer Robert Alexander richtig krachen: Sein Domizil erinnert an ein bewohnbares UFO und verfügt über eine 20 Meter lange Couch. Elvis Presley und Priscilla verbrachten in diesem futuristischen Ambiente ihre Flitterwochen.
Ebenso abgefahren wirkt das kuppelförmige „Elrod House“ von John Lautner, das immer wieder als Filmkulisse diente. James Bond wurde hier 1971 vom „Diamantenfieber“ gepackt.
Heute herrscht in Palm Springs großer Stolz auf dieses architektonische Erbe. Seit zwölf Jahren veranstaltet die Stadt jeden Februar ein Architektur-Festival, die Modernism Week. Zehntausende Besucher reisen dann an, um die sonst verschlossenen Privathäuser zu besichtigen. Der Glamour der Goldenen Hollywood-Ära ist in Palm Springs quicklebendig.

Antje Rößler

Reiseinfos
www.palm-springs.de

Hotel-Tipp
The Junipero
2120 N. Junipero Avenue, Palm Springs
thedesertcollective.com/the-junipero-property/
Übernachten in klassisch-schlichtem Midcentury-Ambiente, mit privatem Pool und Blick auf die Berge.

Gastronomie
Purple Room Supper Club
1900 East Palm Canyon Drive, Palm Springs
www.purpleroompalmsprings.com
Wo einst Frank Sinatra einkehrte, erklingen im mondänen Sechziger-Dekor die Hits von damals.

Aktivitäten
Palm Springs Modern Tours
www.palmspringsmoderntours.com
Stadtrundfahrten auf den Spuren berühmter Architekten und Hollywood-Stars.

Joshua Tree Nationalpark
74485 National Park Drive, Twentynine Palms
www.nps.gov/jotr/index.htm
Eine Autostunde von Palm Springs entfernt wächst der Joshua-Tree, eine nur hier vorkommende Riesen-Yucca.