Nizza will grün werden

Nizza von oben

Blick auf Nizza vom Schlosshügel Colline du Chateau

Nizza muss sehr schön gewesen sein. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts während der so genannten Belle Epoque, die ja auch ein Baustil war, hat sich die Stadt zu einem mondänen Bade- und Überwinterungsort für Adlige und Begüterte aus ganz Europa aufgeschwungen. Engländer und Russen kauften und bauten am klimatisch so begünstigten östlichen Ende der Cote d’Azur Stadtvillen und Paläste. Dazu kamen pompöse Hotels. Eines der schönsten war das Hotel Ruhl, das man in den 1970er Jahren abgerissen und durch einen Neubau aus Glas und Stahl ersetzt hat. Heute ist hier das Hotel Meridien. Vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg veranstaltete im Ruhl der Hotelier, Architekt, Zeichner und Kunstfreund Paul Tissier spektakuläre und weithin bekannte Künstlerfeste.

Er selbst entwarf Mdme TissierBühnenbilder und Dekorationen, seine Frau, die Musikerin und Komponistin Gisèle Tissier die Kostüme.
Die sogenannten Fetes wurden zu einem Anziehungspunkt für Freunde gehobener Unterhaltung aus ganz Europa. In dem zu einem Museum umgestalteten Palais Lascaris in der Altstadt von Nizza vermittelt heute eine sehenswerte ständige Ausstellung mit Fotos, Dokumenten, Bühnen- und Kostümentwürfen einen Eindruck, wie diese Fetes ausgesehen haben. Das Ehepaar Tissier muss ein strahlendes Künstler- und Unternehmerpaar abgegeben haben.

Von diesem Glanz ist man heute in Nizza doch einigermaßen entfernt. Zwar besitzen die großen Belle Epoche-Paläste noch immer jede Menge Flair, aber dahinter und drum herum wirkt die Stadt doch oft auch recht schmuddelig – wie übrigens auch Cannes. Es ist laut, dreckig, und der Verkehr ist enervierend.

Bevor Nizza vor ein paar Jahren der völlige Verkehrskollaps drohte, hat die Stadtregierung die Notbremse gezogen und eine Straßenbahnlinie quer durch die Stadt gebaut. Mit ihr kann man zum Beispiel direkt vom Bahnhof bis zur Uferpromenade fahren. Entlang der Gleise hat man die Autos ausgesperrt und eine Fußgängerzone daraus gemacht. Wer ohne Abgasqualm durch Nizza spazieren möchte, kann dies entlang der Straßenbahn tun.

Parallel dazu baute man einen großzügigen Park, die Paillon-Promenade, zwischen der historischen Altstadt und der Jahrhundertwende-Stadt unweit des Meeres. Hier gibt es Ruheinseln zwischen Bäumen und Rasenflächen, Spielmöglichkeiten für Kinder und einen eindrucksvollen Brunnen, dessen Wasserstrahlen einer ausgetüftelten Choreographie folgen und auch zur Abkühlung an heißen Sommertagen genutzt werden kann. Der Park ist ein enormer Gewinn für die Stadt und bei Einwohnern und Touristen gleichermaßen beliebt.

Park1

Promenade du Paillon im Zentrum von Nizza

Auch in der weitgehend autofreien historischen Altstadt von Nizza kann man sich ganz gut zu Fuß bewegen. Nur hat man vergessen, die Motorräder und Motorroller auszusperren. Geknatter und Gestank sind deshalb unliebsame Begleiter bei einer Tour durch die Altstadt. In Frankreich fahren in einer Stadt wie Nizza in etwa so viele Motorräder und Motorroller wie in Deutschland in drei Städten…

Motorroller

Solange sie geparkt sind, sind sie nicht so schlimm, aber wehe wenn sie alle losfahren…!

Nizza soll eine grüne Stadt werden, verkünden die Verantwortlichen des Stadtmarketings. Auf dem Weg dahin ist man schon ein gutes Stück vorangekommen. Aber noch immer ist die Luftverschmutzung ein Problem, der Autoverkehr trotz Straßenbahn, Elektro-Ladestationen und kostenlosen Leihrädern gefühlt so dicht wie in einer Millionenstadt – dabei hat Nizza gerade mal 400.000 Einwohner. Doch die angrenzenden Monaco, Cannes oder Antibes lassen den (Durchgangs-)Verkehr entsprechend anschwellen – und auch die Gewohnheit der Franzosen überall mit dem Auto hinzufahren.

Es wird also noch einiges geschehen müssen, um aus Nizza eine wirklich „grüne“ Stadt zu machen, die für die Menschen und nicht in erster Linie für die Autos da ist. Doch mit diesem Problem ist Nizza nicht allein. Überall auf der Welt werden sich Städte in den kommenden Jahren radikal verändern müssen, damit Lebensräume für Menschen und nicht für Autos entstehen. Viele Maßnahmen sind dafür notwendig: der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die Förderung von Elektromobilität, Fußgänger- und Ruhezonen, kostenlose Leihräder, Straßensperrungen, der Bau attraktiver Radwege…

In Nizza gibt es zum Beispiel etliche städtische Ladestationen für Elektroautos. Fahrende Elektroautos sieht man allerdings nur wenige – nicht anders als in Deutschland. Und die Leihräder Velo bleu lassen sich zwar auch von Touristen benutzen, aber man muss schon ein bißchen Zeit und Geduld mitbringen, um die telefonische Registrierung erfolgreich zu absolvieren. Und danach fragt man am besten einen Einheimischen, wie es weiter geht…

Das „grüne Nizza“ ist übrigens nicht etwa das Projekt einer grünen Stadtregierung, sondern einer konservativen. Grüne Politik zu machen ist längst nicht mehr nur für die Grünen ein Ziel. Auch andere Parteien haben kapiert, dass Investitionen in eine lebenswerte und gesunde Stadtlandschaft eine Investition in die Zukunft sind und Renditen für die ganze Stadt versprechen – vor allem im Bereich Einzelhandel und Tourismus‘.

Natürlich war Nizza auch schon vor dem grünen Umschwung einen Besuch wert, aber jetzt ist es definitiv angenehmer, sich hier aufzuhalten, zumindest wenn man kein allzu abgelegenes Hotel gebucht hat. Am besten ist es, eines an der Straßenbahnlinie zu wählen. Wobei man beim Preis/Leistungsverhältnis hier Abstriche machen muss. Man kann in Nizza gut und gerne einen bis zwei Sterne abziehen, um auf den tatsächlichen Standard des Hotels zu kommen.

Markt Antiquitäten

Das östliche Ende des Cours Saleya am Antiquitätentag

Am Vormittag kann man den berühmten Blumen- und Gemüsemarkt auf dem Cours Saleya besuchen – der an einem Tage der Woche zum Antiquitätenmarkt mutiert – und danach in einem der vielen Restaurants die Plat du Jour zu sich nehmen. Hinterher geht’s dann ans Meer – entweder für einen Spaziergang entlang der Promenade oder ein paar Treppenstufen hinunter zum öffentlichen Strand. Zwischen Sonnenanbetern, Badenden, Volleyballspielern, Relaxenden und Picknickenden kann man es hier zu jeder Tageszeit gut aushalten – zumal es natürlich auch Bars und Cafés am Strand gibt.

Strand mit Oper

Der Strand von Nizza – im Hintergrund in der Mitte die Oper von Nizza

Allerdings empfiehlt es sich, eine gepolsterte Unterlage und Schuhe fürs Wasser mitzunehmen, denn der Strand hier besteht aus Steinen und er fällt recht steil ins Wasser ab…Natürlich sind auch die Kunstmuseen wie das Matisse-Museum, das Chagall-Museum oder das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst einen Besuch wert. Oder ein Spaziergang auf den Schlosshügel Colline du Chateau mit seinem atemberaubenden Blick über den Strand und Nizza.
Nizza muss sehr schön gewesen sein. Doch es ist auf einem guten Weg, wieder sehr schön zu werden.

Robert Jungwirth

Reiseinfos:

www.cotedazur-tourisme.com

Hotelempfehlung: Hotel Vendome. 26 Rue Pastorelli. Ordentliches 3-Sterne-Haus in einem schönen alten Gebäude mit viel Stuck im Eingangsbereich und angenehmen Zimmern, aber einem sehr kleinen Frühstücksraum.

Restaurantempfehlung: L‘esclinada. 22 Rue Pairoliere. Traditionelle Gerichte aus Nizza in schöner Umgebung.

Online-Reisejournal 2015