Archives 2015

  • Das Koch-Festival Les Etoiles de Mougins

    Espace demostrations gratuites

    Kochvorführung im Espace Roger Vergé

    Wie wär’s mit noch ein wenig Butter, fragt der Moderator witzelnd, nachdem Sternekoch Jean-Francois Berard für seine Fischvariationen schon so viel Butter verwendet hat, als würde er einen Kuchen backen. Viel Butter also. Ist das das Geheimnis hoher Kochkunst? Nach zwei Tagen beim Kochfestival “Les Etoiles de Mougins” ist zumindest eines klar: Es gibt nicht das Koch-Geheimnis, es gibt hunderte, und jeder Koch hat einige.

    Berard bei der Arbeit

    Jean-Francois Berard legt letzte Hand an

    Im kleinen Dörfchen Mougins etwa 15 Kilometer nördlich von Cannes, malerisch auf einer Bergkuppe mit Blick bis zur Cote d’Azur gelegen, werden sie alljährlich im September gelüftet, die Geheimnisse der Spitzenköche dieser Welt (zukünftig soll das Festival im Juni stattfinden). Dazu reisen Maestri von Brasilien bis USA, von Marokko bis Holland an. Und natürlich aus allen Teilen Frankreichs. Von hier stammen, wen wundert’s, die meisten teilnehmenden Köche. In diesem September waren es 130 aus 15 Ländern – mehrheitlich Männer. Zur Ehrenrettung der Frauen war beispielsweise die mit einem Stern ausgezeichnete Stephanie Le Quellec vom Hotel Price de Galle aus Paris mit von der Partie.

    Zwei Tage im Jahr wird das kleine Mougins zum Nabel der Kochwelt – oder sollte man vielleicht besser sagen zum Magen oder Gaumen? Und Mougins und seine Besucher zelebrieren dieses einzigartige Festival in einer Mischung aus Heldenverehrung und Volksfest – in diesem Jahr zum zehnten Mal. Überall in dem für Autos komplett gesperrten Ort sind Stände und Zelte aufgebaut. Es brutzelt, dampft und brodelt, man kann zusehen und zuhören, manchmal auch probieren oder selbst den Kochlöffel schwingen.

    Das Programm ist generalstabsmäßig durchgeplant. An elf Stationen wird zeitgleich gekocht und erklärt, jeweils eine Stunde lang, dann folgt der nächste Koch. Da heißt es gut vorbereitet sein für die Küchenmeister, die zum Teil mit ihren Hilfsköchen angereist sind. Und die Besucher haben die Qual der Wahl, ob sie nun Benoit Sinthon aus Madeira bei einem Fischgericht zuschauen möchten oder lieber dem Patisseur Philippe Brito aus Cannes bei seiner Nachtischkreation oder vielleicht dem Zwei-Sternekoch Erik van Loo aus Rotterdam, der eine Garnelen-Vorspeise mit schier unendlichen Tomatenvariationen zaubern wird. Nur die Basisinformation Fisch, Fleisch, vegetarisch oder Patisserie enthält das Programm und natürlich die Namen der Köche. Welches Gericht genau gekocht wird, erfährt man erst beim Zuschauen oder Mitmachen.

    Stephanie Le Quellec

    Sterneköchin Stephanie Le Quellec mit Moderator

    Drei Möglichkeiten der Teilnahme haben die interessierten Besucher von “Les Etoiles de Mougins”. Im Zelt „Espace Roger Vergé“ gibt es kostenlose Kochshows für bis zu 180 Personen. In einem anderen Bereich werden für 7 Euro Vorführungen für bis zu 80 Personen angeboten, bei denen die Teilnehmer am Ende auch eine Kleinigkeit probieren können. Und schließlich kann man für 20 Euro in einer Gruppe bis zu 12 Teilnehmern mit dem Meisterkoch seiner Wahl selbst kochen.

    Kochkurs mit Eric Van Loo 2

    Kochkurs mit Erik van Loo

    Ein wunderbares Konzept, das sich in den zehn Jahren des Bestehens von „Les Etoiles de Mougins“ bestens bewährt hat und jährlich mehr Kochfans nach Mougins pilgern läßt – in diesem Jahr rund 30.000. Bislang sind es hauptsächlich Franzosen, die nach Mougins kommen, was vielleicht auch damit zu tun hat, dass bei den Kochshows und Kursen so gut wie nur französisch gesprochen wird.

    Wer gerade nicht bei einem Programm mitmacht, der kann entspannt in einer Bar etwas trinken, den Livebands zuhören, die im steten Wechsel auf einer open-air-Bühne auftreten, im „Café litteraire“ Talkrunden mit Sterneköchen lauschen und dabei in einer großen Auswahl aktueller Kochbücher blättern oder einfach nur die herrlichen Ausblicke auf die Landschaft rund um Mougins genießen.
    Nur eines wird man als Teilnehmer eines oder mehrerer Kochkurse in Mougins wohl eher nicht tun: in einem der Restaurants des Orts ein mehrgängiges Menü zu sich nehmen….

    Robert Jungwirth

    Auch manchen Straßennamen hat man in Mougins zu Ehren von Meisterköchen umbenannt

    Auch manchen Straßennamen hat man in Mougins zu Ehren von Meisterköchen umbenannt

    Reiseempfehlungen:

    Das Festival “Les Etoiles de Mougins” 2016 findet vom 10.-12. Juni statt. Der Zugang zum Festival ist kostenlos. Da der Ort selbst für den Autoverkehr gesperrt ist, muss man sein Auto auf dafür ausgewiesenen Parkplätzen rund um Mougins abstellen und dann mit einem Shuttlebus nach Mougins fahren.

    Zum Übernachten empfiehlt es sich ebenfalls auf umliegende Hotels und Pensionen auszuweichen, da das kleine Angebot in Mougins selbst lang im Voraus ausgebucht ist.
    Zu empfehlen ist etwa das komfortable Hotel Mercure, ein Viersterne-Haus mit schönem Garten und Pool in provencalischer Umgebung unweit des neuen Bildungs- und Technologiestandorts Sofia Antipolis (Valbonne, Rue Albert Caquot).

    Weitere Informationen:

    www.lesetoilesdemougins.com

    www.cotedazur-tourisme.com

  • Nizza will grün werden

    Nizza von oben

    Blick auf Nizza vom Schlosshügel Colline du Chateau

    Nizza muss sehr schön gewesen sein. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts während der so genannten Belle Epoque, die ja auch ein Baustil war, hat sich die Stadt zu einem mondänen Bade- und Überwinterungsort für Adlige und Begüterte aus ganz Europa aufgeschwungen. Engländer und Russen kauften und bauten am klimatisch so begünstigten östlichen Ende der Cote d’Azur Stadtvillen und Paläste. Dazu kamen pompöse Hotels. Eines der schönsten war das Hotel Ruhl, das man in den 1970er Jahren abgerissen und durch einen Neubau aus Glas und Stahl ersetzt hat. Heute ist hier das Hotel Meridien. Vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg veranstaltete im Ruhl der Hotelier, Architekt, Zeichner und Kunstfreund Paul Tissier spektakuläre und weithin bekannte Künstlerfeste.

    Er selbst entwarf Mdme TissierBühnenbilder und Dekorationen, seine Frau, die Musikerin und Komponistin Gisèle Tissier die Kostüme.
    Die sogenannten Fetes wurden zu einem Anziehungspunkt für Freunde gehobener Unterhaltung aus ganz Europa. In dem zu einem Museum umgestalteten Palais Lascaris in der Altstadt von Nizza vermittelt heute eine sehenswerte ständige Ausstellung mit Fotos, Dokumenten, Bühnen- und Kostümentwürfen einen Eindruck, wie diese Fetes ausgesehen haben. Das Ehepaar Tissier muss ein strahlendes Künstler- und Unternehmerpaar abgegeben haben.

    Von diesem Glanz ist man heute in Nizza doch einigermaßen entfernt. Zwar besitzen die großen Belle Epoche-Paläste noch immer jede Menge Flair, aber dahinter und drum herum wirkt die Stadt doch oft auch recht schmuddelig – wie übrigens auch Cannes. Es ist laut, dreckig, und der Verkehr ist enervierend.

    Bevor Nizza vor ein paar Jahren der völlige Verkehrskollaps drohte, hat die Stadtregierung die Notbremse gezogen und eine Straßenbahnlinie quer durch die Stadt gebaut. Mit ihr kann man zum Beispiel direkt vom Bahnhof bis zur Uferpromenade fahren. Entlang der Gleise hat man die Autos ausgesperrt und eine Fußgängerzone daraus gemacht. Wer ohne Abgasqualm durch Nizza spazieren möchte, kann dies entlang der Straßenbahn tun.

    Parallel dazu baute man einen großzügigen Park, die Paillon-Promenade, zwischen der historischen Altstadt und der Jahrhundertwende-Stadt unweit des Meeres. Hier gibt es Ruheinseln zwischen Bäumen und Rasenflächen, Spielmöglichkeiten für Kinder und einen eindrucksvollen Brunnen, dessen Wasserstrahlen einer ausgetüftelten Choreographie folgen und auch zur Abkühlung an heißen Sommertagen genutzt werden kann. Der Park ist ein enormer Gewinn für die Stadt und bei Einwohnern und Touristen gleichermaßen beliebt.

    Park1

    Promenade du Paillon im Zentrum von Nizza

    Auch in der weitgehend autofreien historischen Altstadt von Nizza kann man sich ganz gut zu Fuß bewegen. Nur hat man vergessen, die Motorräder und Motorroller auszusperren. Geknatter und Gestank sind deshalb unliebsame Begleiter bei einer Tour durch die Altstadt. In Frankreich fahren in einer Stadt wie Nizza in etwa so viele Motorräder und Motorroller wie in Deutschland in drei Städten…

    Motorroller

    Solange sie geparkt sind, sind sie nicht so schlimm, aber wehe wenn sie alle losfahren…!

    Nizza soll eine grüne Stadt werden, verkünden die Verantwortlichen des Stadtmarketings. Auf dem Weg dahin ist man schon ein gutes Stück vorangekommen. Aber noch immer ist die Luftverschmutzung ein Problem, der Autoverkehr trotz Straßenbahn, Elektro-Ladestationen und kostenlosen Leihrädern gefühlt so dicht wie in einer Millionenstadt – dabei hat Nizza gerade mal 400.000 Einwohner. Doch die angrenzenden Monaco, Cannes oder Antibes lassen den (Durchgangs-)Verkehr entsprechend anschwellen – und auch die Gewohnheit der Franzosen überall mit dem Auto hinzufahren.

    Es wird also noch einiges geschehen müssen, um aus Nizza eine wirklich „grüne“ Stadt zu machen, die für die Menschen und nicht in erster Linie für die Autos da ist. Doch mit diesem Problem ist Nizza nicht allein. Überall auf der Welt werden sich Städte in den kommenden Jahren radikal verändern müssen, damit Lebensräume für Menschen und nicht für Autos entstehen. Viele Maßnahmen sind dafür notwendig: der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die Förderung von Elektromobilität, Fußgänger- und Ruhezonen, kostenlose Leihräder, Straßensperrungen, der Bau attraktiver Radwege…

    In Nizza gibt es zum Beispiel etliche städtische Ladestationen für Elektroautos. Fahrende Elektroautos sieht man allerdings nur wenige – nicht anders als in Deutschland. Und die Leihräder Velo bleu lassen sich zwar auch von Touristen benutzen, aber man muss schon ein bißchen Zeit und Geduld mitbringen, um die telefonische Registrierung erfolgreich zu absolvieren. Und danach fragt man am besten einen Einheimischen, wie es weiter geht…

    Das „grüne Nizza“ ist übrigens nicht etwa das Projekt einer grünen Stadtregierung, sondern einer konservativen. Grüne Politik zu machen ist längst nicht mehr nur für die Grünen ein Ziel. Auch andere Parteien haben kapiert, dass Investitionen in eine lebenswerte und gesunde Stadtlandschaft eine Investition in die Zukunft sind und Renditen für die ganze Stadt versprechen – vor allem im Bereich Einzelhandel und Tourismus‘.

    Natürlich war Nizza auch schon vor dem grünen Umschwung einen Besuch wert, aber jetzt ist es definitiv angenehmer, sich hier aufzuhalten, zumindest wenn man kein allzu abgelegenes Hotel gebucht hat. Am besten ist es, eines an der Straßenbahnlinie zu wählen. Wobei man beim Preis/Leistungsverhältnis hier Abstriche machen muss. Man kann in Nizza gut und gerne einen bis zwei Sterne abziehen, um auf den tatsächlichen Standard des Hotels zu kommen.

    Markt Antiquitäten

    Das östliche Ende des Cours Saleya am Antiquitätentag

    Am Vormittag kann man den berühmten Blumen- und Gemüsemarkt auf dem Cours Saleya besuchen – der an einem Tage der Woche zum Antiquitätenmarkt mutiert – und danach in einem der vielen Restaurants die Plat du Jour zu sich nehmen. Hinterher geht’s dann ans Meer – entweder für einen Spaziergang entlang der Promenade oder ein paar Treppenstufen hinunter zum öffentlichen Strand. Zwischen Sonnenanbetern, Badenden, Volleyballspielern, Relaxenden und Picknickenden kann man es hier zu jeder Tageszeit gut aushalten – zumal es natürlich auch Bars und Cafés am Strand gibt.

    Strand mit Oper

    Der Strand von Nizza – im Hintergrund in der Mitte die Oper von Nizza

    Allerdings empfiehlt es sich, eine gepolsterte Unterlage und Schuhe fürs Wasser mitzunehmen, denn der Strand hier besteht aus Steinen und er fällt recht steil ins Wasser ab…Natürlich sind auch die Kunstmuseen wie das Matisse-Museum, das Chagall-Museum oder das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst einen Besuch wert. Oder ein Spaziergang auf den Schlosshügel Colline du Chateau mit seinem atemberaubenden Blick über den Strand und Nizza.
    Nizza muss sehr schön gewesen sein. Doch es ist auf einem guten Weg, wieder sehr schön zu werden.

    Robert Jungwirth

    Reiseinfos:

    www.cotedazur-tourisme.com

    Hotelempfehlung: Hotel Vendome. 26 Rue Pastorelli. Ordentliches 3-Sterne-Haus in einem schönen alten Gebäude mit viel Stuck im Eingangsbereich und angenehmen Zimmern, aber einem sehr kleinen Frühstücksraum.

    Restaurantempfehlung: L‘esclinada. 22 Rue Pairoliere. Traditionelle Gerichte aus Nizza in schöner Umgebung.

    Online-Reisejournal 2015