Archives 2014

  • Kunst und Meer

    Den Haag verbindet städtisches Flair mit Strandnähe – ideal auch für einen Winterurlaub

    Jan Vermeer: Mädchen mit dem Perlenohrring Foto: Mauritshuis

    Jan Vermeer: Mädchen mit dem Perlenohrring Foto: Mauritshuis

    Dieser Blick hypnotisiert. Er lässt den Betrachter nicht aus den Augen, egal wohin dieser sich im Raum bewegt. Und ebenso wenig vermag der Betrachter den Blick abzuwenden. Die leuchtenden großen Augen, die geheimnisvolle Anmut des vom Kerzenlicht angestrahlten Gesichts, der rote, leicht geöffnete Mund. Was möchte er uns sagen, dieser Mund? Dazu der Schimmer auf den Lippen und der Lichtreflex auf dem Perlenohrring, der dem Bild seinen Titel gab: Das Mädchen mit dem Perlenohrring. Dieses Bild von Jan Vermeer ist eines der faszinierendsten Frauenbildnisse, das je gemalt wurde. Und wer unmittelbar vor ihm steht, der wird geradezu überwältigt von ihm.

    Nicht in Amsterdam, sondern in Den Haag hängt dieses weltberühmte Bild, im vielleicht schönsten Museum mit alter holländischer Kunst, dem Mauritshuis. Ein Stadtpalast, den sich der deutsche Adlige Johan Maurits von Nassau-Siegen 1644 errichten hat lassen. Später hat man ihn zur Bildergalerie umgewandelt. Zentral gelegen, unmittelbar an das alte Parlamentsgebäude aus dem 13. Jahrhundert angrenzend, ist er eine der Hauptsehenswürdigkeiten Den Haags. Allein dieses berühmte Bild von Vermeers ist den Besuch des Museums, ja den Besuch Den Haags wert. Dabei beherbergt das Mauritshuis unzählige andere Bilder großer Meister, wie Rembrandt, Breughel, Holbein oder Hals.

    Vor kurzer Zeit hat man nach dem Vorbild des Louvre unter dem Mauritshuis einen aufwendigen unterirdischen Eingangsbereich gebaut, von dem aus die Besucher ins Innere des Palais‘ gelangen. Ein inszenierter Aufgang zu den Meisterwerken der holländischen und flämischen Malerei des Goldenen Zeitalters – und erst ganz oben, zum Schluss des Rundgangs, steht man plötzlich vor dem „Mädchen mit dem Perlenohrring“ – und kann sich nicht mehr wegbewegen…

    Natürlich ist dieses weltberühmte Gemälde, nach dem sogar ein Hollywood-Film gedreht wurde, die Attraktion in Sachen Kunst in der holländischen Hauptstadt. Dabei ist Den Haag nicht nur wegen dieses Bildes eine Kunststadt. Neben dem Mauritshuis mit seinen hochkarätigen Beständen sollte man das Gemeentemuseum für moderne Kunst nicht verpassen. Der weitläufige 20er-Jahre Bau mit seiner farbigen Art-Deco-Architektur beherbergt die weltweit größte Sammlung von Bildern Piet Mondrians, die zusammen mit Arbeiten seiner holländischen Zeitgenossen einen faszinierenden Einblick in niederländische Moderne bilden. Gegenwärtig gibt es im Gemeentemuseum auch eine riesige Rothko-Ausstellung, von den surrealen Anfängen bis zur Sakralkunst der 60er und 70er Jahre. Zu sehen noch bis zum 1. März 2015.

    Gemeentemuseum2

    Gemeentemuseum

    Und dann sind da noch jede Menge kleiner Galerien mit aktueller Kunst in der historischen Altstadt von Den Haag. Überhaupt die Altstadt. In den herrlichen Klinkerbauten, die eher an England erinnern als an die Grachtenhäuser Amsterdams, findet man eine große Vielfalt an kreativen Läden, Boutiquen mit junger Designermode, originellen Cafés und hervorragenden Restaurants, gemütlichen Pubs und.. und.. und.

    Altstadt von Den Haag

    Altstadt von Den Haag

    Der Vorteil eines Stadtspaziergangs in Den Haag ist, dass die 500.000 Einwohner-Stadt nicht so groß ist. Alles lässt sich zu Fuß ohne Probleme bewältigen. Und wenn man genug vom Stadtbummel hat und sich am berühmtesten Fischstand der Stadt unmittelbar vor dem Parlament gestärkt hat – zum Beispiel mit sensationell zartem Matjes – fährt man ans Meer und lässt sich vom frischen Seewind den Kopf von den vielen Eindrücken wieder freipusten.

    Keine Viertelstunde braucht die Straßenbahn vom Parlament bis zum Strand von Scheveningen. In den Wintermonaten geht es hier ruhig und entspannt zu, und man kann wunderbare lange Strandspaziergänge bis in die Dünenlandschaft hinein unternehmen oder mit dem Rad an der Küste entlangfahren. Statt Schnee und Eis knirschen unter den Sohlen der Spaziergänger unzählige kleine Muscheln…Der Strand hier ist extrem breit und so flach, dass man in Meeresnähe auch gut darauf joggen oder Radfahren kann. Die Den Haager kommen gern zum Sonntagsausflug hierher, gehen spazieren oder lassen Drachen steigen.

    Der Strand von Scheveningen

    Der Strand von Scheveningen

    Die vielen Lokale und der Bungee-Jumping-Turm um das imposante Kurhaus aus dem späten 19. Jahrhundert herum lassen erahnen, welch ein Trubel hier im Sommer herrschen muss. Aber so genau wollen wir uns das eigentlich gar nicht vorstellen. Wir fragen uns lieber, was in dem nun geschlossenen Bibelkiosk im Sommer abgeht? Bietet man hier Bibelstunden in Badehose und Bikini an? Die 70er Jahre-Appartementhäuser, die das wunderbare Jahrhundertwende-Kurhaus umstellen, ja umzingeln, schauen wir uns auch nicht so genau an. Hier haben sich Größenwahn und schlechte Architektur gegenseitig befruchtet – mit üblen Folgen.

    Während man im Zentrum von Den Haag gerade dabei ist, ein paar unansehnliche 70er Jahre Bürotürme wieder aus dem Stadtbild zu entfernen und durch ansprechende Architektur zu ersetzen, ist man in Scheveningen noch nicht so weit. Schade, denn das traditionsreiche Seebad könnte gut auf einige dieser Plattenbausünden verzichten.

    Kurhaus mit angrenzenden Gebäuden

    Kurhaus mit angrenzenden Gebäuden

    Der Vorteil der vielen Appartementhäuser allerdings ist, dass hier auch im Winter Leute wohnen und deshalb viele Restaurants und Lokale geöffnet haben, man also keine Angst zu haben braucht, kein Mittag- oder Abendessen zu bekommen. Auch die meisten Hotels in Scheveningen haben das ganze Jahr über geöffnet. Der Wintertourismus ist zwar unbedeutend im Vergleich zu den Gästezahlen im Sommer, aber man hofft, dieses Geschäftsfeld noch ausbauen zu können.

    Sommerhäuser, später

    Sommerhäuser, später

    Während in unmittelbarer Küstennähe die Bauwut der vergangenen Jahrzehnte nur mehr wenige der schönen alten Häuser aus der Glanzzeit des Seebads übrig gelassen hat, kann man in zweiter bzw. dritter Reihe noch viele wunderbare Sommerhäuser mit Fachwerk, Türmchen und Veranden finden. Wer vom Gemeentemuseum Richtung Meer spaziert, läuft an ihnen vorbei. Dieses Stadtviertel, das an den Hafen von Scheveningen grenzt, hat einen ganz eigenen Reiz. Auch ein großer Park mit alten Bäumen und Radwegen schließt sich daran an. Es lohnt sich also, sich auf einen Drahtesel zu schwingen und die Gegend auf diese Weise zu erkunden – zumal Den Haag nicht weniger als Amsterdam eine Fahrradstadt ist. Vor dem Bahnhof gibt es zum Beispiel einen Fahrradparkplatz mit einer Konstruktion, die die Räder übereinander stapelt wie in einer Duplexgarage…

    Laange Vorhout

    Laange Vorhout

    Abends kann man dann wieder chic essen gehen in der Altstadt von Den Haag…zum Beispiel indonesisch. Das hat hier eine große Tradition – schließlich war der Inselstaat über mehrere hundert Jahre niederländische Kolonie. Und man kann an den erleuchteten vielen Stadtpalais aus dem 17. und 18. Jahrhundert vorbeischlendern, in denen heute die Botschaften vieler Länder residieren. Die Prachtstraße heißt „Lange Voorhout“ – was für deutsche Ohren reichlich erheiternd wirkt, denn man spricht es “Lange Vorhaut“ aus. Diese Straße ist zweireihig mit Linden bepflanzt und war das Vorbild für Berlins Unter den Linden.

    Von Robert Jungwirth

    Informationen unter: www.denhaag.com

    www.holland.com

    Empfehlenswertes Hotel in Scheveningen: Hotel Andante: hotelandante.nl

    Online-Reisejournal 2014

  • Musik und Dublin sind Synonyme

    altan flach

    Altan


    Dublin ist eine Musikstadt. Weniger für Oper und klassische Konzerte, dafür für eine lebendige Auseinandersetzung mit der traditionellen irischen Musik in allen Spielarten
    .

    Zentrum der Dubliner Musikszene ist die Temple-Bar-Street in der Dubliner Innenstadt. Sie trägt ihren Namen zu Recht. Hier gibt es zahlreiche Tempel des Biers und der Musik. Und beides ist hier untrennbar miteinander verbunden. Bier, Weib und Gesang oder auch nur Bier und Gesang. Dabei hat der Name Temple eigentlich gar nichts mit Tempeln zu tun, sondern geht zurück auf eine Famillie dieses Namens, die hier einst gelebt und sich allgemeines Ansehen erworben hat.

    Jeden Abend kann man hier in beinahe jedem der zahllosen Pubs Live-Musik erleben. Die Kneipen sind nicht nur für die Besucher eine Attraktion, sondern bieten auch den hiesigen Nachwuchsmusikern beste Erprobungsmöglichkeiten. Wer es hier schafft, sein Publikum über zwei Stunden lang bei der Stange zu halten, hat sich für Höheres bewährt. Die „Dubliners“, die bis heute berühmtesten Irish-Folk-Musiker, gaben Anfang der 60er Jahre im O’Donoghues ihre ersten Konzerte. Zwei der Bandmitglieder sind mittlerweile gestorben, die verbliebenen treten noch immer regelmäßig auf. Im November touren sie wieder durch Deutschland (www.lb-events.de).

    Und auch U2 hat in den Pubs von Dublin begonnen. Eine sw-Fotographie zeigt die blutjungen Musiker in einem Dubliner Pub in den frühen 70er Jahren. Sehen kann man das Foto im „Little Museum“, einem Kuriositätenkabinett an Museum, beherbergt es doch Fotos, Gegenstände, Dokumente von Dubliner Bürgern, die sie dem Museum zur Verfügung gestellt haben. Voraussetzung für eine Aufnahme im Museum: das Exponat sollte etwas mit der Geschichte Dublins zu tun haben. Ein Besuch dieses sympathischen Museums ist in jedem Fall empfehlenswert.

    Wie sehr die irische Musikkultur in der Bevölkerung verankert ist, kann man erfahren, wenn man zum Beispiel den Piper’s Club in der Henrietta Street  besucht. Der Verein unterstützt Interessenten, die den traditionellen irischen Dudelsack, die Uilleann Pipes, lernen wollen. Und davon gibt es jede Menge, nicht nur in Irland, sondern auf der ganzen Welt, wie der Leiter der Einrichtung Gerry Lyons stolz berichtet. Eigentlich kann man bei den Uilleann Pipes gar nicht von einem Dudelsack sprechen, denn zum einen wird in ihn nicht hineingeblasen, sondern die Luft per Armdruck durch die Pfeifen gepresst und zum anderen sind es im Gegensatz zum schottischen Dudelsack nicht nur zwei sondern mehrere Töne, die man darauf gleichzeitig spielen kann. So klingt das eigenartige Instrument fast wie eine Orgel, wenn man mehrstimmig auf ihm spielt.

    Uilleann Pipes, die irische Blockflöte, die Penny-Whistle oder auch Tin Whistle, die Violine, Fiddel genannt, und die Gitarre, das sind die traditionellen Instrumente der irischen Folk-Music. Fast jedes Kind auf der Insel kommt mit einem von ihnen fast automatisch in Berührung. Es gehört buchstäblich zum guten Ton nicht nur der wohlhabenderen irischen Familien, ihrem Nachwuchs eine musikalische Ausbildung zuteilwerden zu lassen. Deshalb sind die Iren ein so musikalisches Volk. Musikalische Traditionen sind wichtig, aber man ist nicht dogmatisch. Die Übergänge von Folk zu Pop sind fließend, wie man bei Besuchen von Pubs mit Livemusik schnell feststellen wird. Erlaubt ist, was gefällt. Die traditionelle Musik aber bildet fast immer die Basis.

    Eleanor McEvoy enger

    Eleanor McEvoy

    Auch für die aus Dublin stammende Sängerin Eleanor McEvoy, gerade eine der vielversprechendsten Singersongwriter der Insel. McEvoy hat nicht nur eine wunderbare, dunkel timbrierte ausdruckstarke Stimme, sie begleitet sich selbst auf der Gitarre mit wunderbar erdigem Groove. In Deutschland ist die Sängerin bislang noch so weitgehend unbekannt, was sich vermutlich bald ändern wird.

    Nachwuchsmusiker und etablierte Größen der irischen Musikszene kann man zum Beispiel beim alljährlich Ende Januar stattfindenden Temple Bar Trad in Dublin hören. Seit 2004 gibt es das TradFest, bei dem innerhalb von fünf Tagen eine Auswahl von Irlands besten Musikern in den Pubs der Hauptstadt sowie in kleineren oder mittleren Konzertsälen aufritt. Eine schöne Einrichtung, zumal der Januar auf der Insel um einiges milder ist als auf dem Kontinent und der nächtliche Kneipenbummel von daher nicht allzu frisch wird.
    Auch „Stockton’s Wing“ oder „Altan“, zwei weitere hervorragende irische Bands, die spielerisch mit den traditionellen musikalischen Wurzeln umgehen und ihre eigenen Wege gefunden haben, daraus etwas Eigenes, Neues zu schaffen, waren beim TradFest schon zu hören. Das Festival, bei dem man eine große Bandbreite an unterschiedlichen Spielarten irischer Folk- und Popmusik erleben kann, hat sich im Lauf seines Bestehens zu einem Besuchermagneten für ein internationales Publikum entwickelt. Wer eine Alternative zum Skiurlaub sucht – hier ist sie!

    Robert Jungwirth

    Online-Reisejournal 2015