Die Kulturhauptstadt Europas 2015 Mons hat viel zu bieten – nicht nur in diesem Jahr

mons stadt 3

Altstadt von Mons mit dem berühmten Belfried

Mons sei eine schlafende Schönheit, sagt der Leiter des Kulturhauptstadtjahres Mons 2015 Yves Vasseur. Was impliziert, dass er es als seine Pflicht ansieht, die Schlafende in diesem Jahr durch möglichst viele Musenküsse wach zu küssen. Bis vor kurzem war das am westlichen Rand Belgiens gelegene Städtchen (man spricht französisch) den Europäern kaum bekannt, aber das Kulturhauptstadtjahr hat das jetzt schon geändert.

Auch wenn Mons nur knapp 100.00 Einwohner hat, verfügt es doch über eine ganze Reihe von Weltkulturerbe-Stätten. Wer durch die pittoreske Altstadt schlendert mit ihren hübschen Fassaden, den kleinen palaisartigen Gebäuden und dem prächtigen Hauptplatz, dem Grand-Place, mit seinem gotischen Rathaus und den stattlichen Gebäuden links und rechts daneben, der sieht ausser viel Ansprechendem auch, dass es für Restaurateure noch manches zu tun gibt. Und über allem thront auf einem Hügel, der der Stadt ihren Namen gab (von franz. Mont für Berg), der spektakuläre barocke Glockenturm, der Belfried, mit seinen eigentümlichen kugelförmigen Aufbauten auf der Spitze, die den Schriftsteller Victor Hugo an Teekannen erinnerten.

Grande Place

Grand-Place

Einst war Mons durch den Kohlebergbau in den umliegenden Kohlegruben reich geworden und bildete das wirtschaftliche, politische und kulturelle Zentrum der Region Hainaut (Hennegau). Die Bergbaugegend Borinage unweit von Mons war seit dem 18. Jahrhundert eines der bedeutendsten Steinkohlereviere Europas. Mit dem Ende des Bergbaus in den 1970er Jahren setzte dann der schleichende Niedergang ein.

Lange hat es gedauert, bis man sich dem Verfall entgegenstellte. Dafür geschah das dann umso vehementer. In der Universitätsstadt setzte und setzt man auf Internetindustrien und fördert im großen Stil Startups. Unter dutzenden Bewerberstädten schaffte es das kleine Mons, die europäische Zentrale von Google hierher zu locken – eine Sensation. Microsoft und andere IT-Unternehmen zogen nach. Auch durch avancierte architektonische Projekte will man deutlich sichtbare Zeichen dafür setzen, dass man im 21. Jahrhundert angekommen ist. Ähnlich wie in Bilbao, verspricht man sich durch spektakuläre Gebäude einen positiven Effekt für die gesamte Stadt.

Kongresshalle von Daniel Libeskind

Kongresshalle von Daniel Libeskind

Aufbruchstimmung durch neue Architektur

Vor kurzem erst wurde das spektakuläre Kongresszentrum von Daniel Libeskind eröffnet, Santiago Calatrava baut Mons gerade einen neuen Bahnhof. Leider ist davon noch nicht zu viel zu sehen. Die Besucher der europäischen Kulturhauptstadt 2015 müssen über provisorische Metallbrücken und -stege laufen, wenn sie mit dem Zug hier ankommen. Außerdem hat Mons seit kurzem ein neues Theater, das alte Bausubstanz mit Avantgarde verknüpft, und im April wird der neuer Konzertsaal Arsonic eingeweiht, nebst Probenräumen und einer „Chapelle de Silence“, in der Besucher spezielle „Sounds of Silence“ zu hören bekommen werden. Der Saal fasst etwa 250 Besucher und ist der zeitgenössischen Musik gewidmet.

Und dann werden am 5. April fünf neue Museen in Mons eröffnet. Eines, das den beiden Weltkriegen gewidmet ist, in denen Mons eine wichtige strategische Position markierte, ein Museum für das größte Volks-Spektakel der Stadt, den alljährlich auf der Grande Place zelebrierten Drachenkampf des heiligen Georg, Dodou genannt, und das sogenannte „Mondaneum“, ein Museum für das Weltwissen, das vor über 100 Jahren in Mons gegründet worden war und nun in Verbindung mit der Internettechnologie eine zeitgemäße Wiederauferstehung feiern soll. Zwei weitere widmen sich dem Glockenturm Belfried sowie zeitgenössischer Kunst.

Es herrscht unübersehbar Aufbruchsstimmung in Mons, was durch das Kulturhauptstadtjahr noch verstärkt wird. Und durch die Übernahme des Bürgermeisteramts durch den ehemaligen Belgischen Premieres Elio di Rupo, der viele Projekte angestoßen hat. Mons sei eine Stadt im Wandel, betont denn auch Johan Vreys vom Organisationsbüro des Kulturhauptstadtjahres Mons 2015. „Als wir uns beworben haben als Kulturhauptstadt, haben wir nicht vorgegeben, eine Hauptstadt zu sein. Aber wir sind eine Stadt, die in Kultur investieren will für ihre eigene Entwicklung, und wir denken, dass Kultur und kreative Industrien eine Stadt beleben und ihr eine Zukunft geben können. Und deshalb investieren wir in ein neues Musikzentrum, neue Museen, arbeiten wir mit zeitgenössischen Künstlern zusammen, die Kunst auch auf die Straße bringen. Und die Idee ist, etwas zu starten, um es für die nächsten Jahre für die Stadt nutzen zu können.“

Van Gogh: Die Lastenträger Vincent van Gogh, Les becheurs, Collectie Stedelijk Museum Amsterdam © Collectie Stedelijk Museum Amsterdam

Van Gogh: Die Lastenträger (Les becheurs), © Collectie Stedelijk Museum Amsterdam

Wo Van Gogh zum Maler wurde

Eine der wichtigsten Kulturhauptstadt-Attraktionen ist die bis zum 17. Mai zu sehende große Van-Gogh-Ausstellung „Van Gogh in the Borinage“ im Museum der Schönen Künste (BAM), einem ansprechenden neuen Gebäude mit viel Glas und weiß bemaltem Stahl, das aber eher charmant als kühl wirkt. In Mons, genauer gesagt in der Bergbaugegend unweit der Stadt wurde Van Gogh zum Maler. Heute beherbert die die historische Bergwerkstätte „Le Grand Hornu“ (die Anlage aus dem frühen 19. Jahrhundert zählt zum Weltkulturerbe) ein spektakuläres Kunst- und Design-Museum – auch das ein Zeichen für den Aufbruchsgeist und den Wandel der gesamten Region.
Van Gogh war als christlicher Prediger in diese Gegend gelangt und vom kargen und entbehrungsreichen Leben der Bergarbeiterfamilien im ausgehenden 19. Jahrhundert so beeindruckt, dass er die Menschen nicht nur mit Geld und Kleidung beschenkte, sondern auch damit begann, sie zu zeichnen. Knapp zwei Jahre lebte Van Gogh in der Borinage. Die in der Ausstellung zu sehenden Kohlezeichnungen von Arbeitern beim Kartoffelklauben, Säckeschleppen oder beim abendlichen Essen in ihren armseligen Hütten sind von großer Ausdruckskraft beseelt, ohne im Mindesten betulich zu wirken. Ihnen wohnt eine Tiefe und Aufrichtigkeit inne, die den Betrachter unmittelbar in ihren Bann zieht. Van Gogh war diesen armen, leidgeprüften Menschen sehr nah, das spürt man in diesen Arbeiten der frühen 1880er Jahre. Der Maler lebte wie sie ein karges Leben, respektierte und – ja – bewunderte sie für ihre Duldsamkeit und Genügsamkeit. All das ist in diesen wenig bekannten frühen Werken zu sehen und zu spüren.

Van Gogh-Haus

Van Gogh-Haus

Auch der Schritt von den Zeichnungen zu den Ölbildern wird in dieser rund 70 Werke umfassenden Ausstellung mit Exponaten aus der ganzen Welt anschaulich, dazu sind auch einige der berühmten Briefe an seinen für ihn so wichtigen Bruder Theo zu sehen, in denen Van Gogh sich als unermüdlich Lernender offenbart. Mit der Verwendung der Farbe gelangt auch etwas mehr Freundlichkeit in die Bilder Van Goghs. Dennoch verlieren vor allem die Personenporträts nichts von ihrer Expressivität, entwickelt er doch schon sehr früh seinen charakteristischen Pinselstrich mit den dynamisch geschwungenen Linien. Man erkennt in diesen Bildern auch, wie nah Van Goghs bereits in den 1880er Jahren an den Expressionismus heranreichte.

Der bedeutendste Sohn der Stadt: Orlando di Lasso

Der berühmteste Künstler-Sohn der Stadt ist jedoch, weil er hier auch geboren wurde, der Renaissance-Komponist Orlando di Lasso (1532-1594), oder wie er in Mons hieß und heißt: Roland de Lassus. Wenig bekannt sind die belgischen Wurzeln eines der bedeutendsten Musiker der Renaissance, der 30 Jahre lang am Münchner Hof gewirkt hat. Aber auch in Mons hält sich das Wissen über Roland de Lassus in Grenzen. Was man im Kulturhauptstadtjahr ändern möchte, wie Johan Vreys vom Organisationsbüro Mons 2015 erzählt. „Im Oktober wird es eine spezielle Lasso-Woche mit vielen Events rund um ihn geben, weil wir glauben, dass er einem größeren Publikum bekannt gemacht werden sollte und nicht nur den Musikkennern.“

So steht am 4. Oktober die Uraufführung eines Auftragswerks für rund 700 Chorsängerinnen und -sänger des Komponisten Jean-Paul Dessy als Open-Air-Spektakel auf dem Programm. Daneben gibt es mehrere Konzerte in der Kirche Saint Nicola en Avré, in der Lasso als Chorknabe gesungen hat, und die nach 20jähriger Renovierung jetzt wieder zugänglich ist, oder ein Pub-Konzert, bei dem verschiedene Ensembles mit Lasso-Musik durch Cafés und Gaststätten der pittoresken Altstadt von Mons ziehen, um den Menschen die Musik Lassos bekannt zu machen.

Denkmal für Roland de Lassus

Denkmal für Roland de Lassus

Wer Mons besucht, wird sich vielleicht wundern, dass die Stadt ihrem berühmtesten Künstler keine Statue gewidmet hat. Nur drei singenden Knaben aus Bronze erinnern an die Anfänge von Orlando di Lasso als Sängerknabe in dieser Stadt. In der Ausstellung Mons Superstars, die berühmten Persönlichkeiten der Stadt gewidmet ist, erfährt der Besucher den Grund dafür. Ursprünglich gab es nämlich sehr wohl eine große Lasso-Skulptur in Mons. Diese wurde jedoch von deutschen Soldaten während des Ersten Weltkriegs für Kanonen eingeschmolzen.

Robert Jungwirth

Über das Programm von Mons 2015 kann man sich unter der Adresse: www.mons2015.eu informieren.

Übernachten kann man in Mons zum Beispiel sehr zentral in einer vor kurzem zum Hotel umgebauten Kirche. Einige Zimmer verfügen über wunderbare farbige Kirchenfenster.

mons hotel zimmer

Dream Hotel Mons

Hotel Dream, www.dream-mons.be/fr