Musik und Dublin sind Synonyme

altan flach

Altan


Dublin ist eine Musikstadt. Weniger für Oper und klassische Konzerte, dafür für eine lebendige Auseinandersetzung mit der traditionellen irischen Musik in allen Spielarten
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Zentrum der Dubliner Musikszene ist die Temple-Bar-Street in der Dubliner Innenstadt. Sie trägt ihren Namen zu Recht. Hier gibt es zahlreiche Tempel des Biers und der Musik. Und beides ist hier untrennbar miteinander verbunden. Bier, Weib und Gesang oder auch nur Bier und Gesang. Dabei hat der Name Temple eigentlich gar nichts mit Tempeln zu tun, sondern geht zurück auf eine Famillie dieses Namens, die hier einst gelebt und sich allgemeines Ansehen erworben hat.

Jeden Abend kann man hier in beinahe jedem der zahllosen Pubs Live-Musik erleben. Die Kneipen sind nicht nur für die Besucher eine Attraktion, sondern bieten auch den hiesigen Nachwuchsmusikern beste Erprobungsmöglichkeiten. Wer es hier schafft, sein Publikum über zwei Stunden lang bei der Stange zu halten, hat sich für Höheres bewährt. Die „Dubliners“, die bis heute berühmtesten Irish-Folk-Musiker, gaben Anfang der 60er Jahre im O’Donoghues ihre ersten Konzerte. Zwei der Bandmitglieder sind mittlerweile gestorben, die verbliebenen treten noch immer regelmäßig auf. Im November touren sie wieder durch Deutschland (www.lb-events.de).

Und auch U2 hat in den Pubs von Dublin begonnen. Eine sw-Fotographie zeigt die blutjungen Musiker in einem Dubliner Pub in den frühen 70er Jahren. Sehen kann man das Foto im „Little Museum“, einem Kuriositätenkabinett an Museum, beherbergt es doch Fotos, Gegenstände, Dokumente von Dubliner Bürgern, die sie dem Museum zur Verfügung gestellt haben. Voraussetzung für eine Aufnahme im Museum: das Exponat sollte etwas mit der Geschichte Dublins zu tun haben. Ein Besuch dieses sympathischen Museums ist in jedem Fall empfehlenswert.

Wie sehr die irische Musikkultur in der Bevölkerung verankert ist, kann man erfahren, wenn man zum Beispiel den Piper’s Club in der Henrietta Street  besucht. Der Verein unterstützt Interessenten, die den traditionellen irischen Dudelsack, die Uilleann Pipes, lernen wollen. Und davon gibt es jede Menge, nicht nur in Irland, sondern auf der ganzen Welt, wie der Leiter der Einrichtung Gerry Lyons stolz berichtet. Eigentlich kann man bei den Uilleann Pipes gar nicht von einem Dudelsack sprechen, denn zum einen wird in ihn nicht hineingeblasen, sondern die Luft per Armdruck durch die Pfeifen gepresst und zum anderen sind es im Gegensatz zum schottischen Dudelsack nicht nur zwei sondern mehrere Töne, die man darauf gleichzeitig spielen kann. So klingt das eigenartige Instrument fast wie eine Orgel, wenn man mehrstimmig auf ihm spielt.

Uilleann Pipes, die irische Blockflöte, die Penny-Whistle oder auch Tin Whistle, die Violine, Fiddel genannt, und die Gitarre, das sind die traditionellen Instrumente der irischen Folk-Music. Fast jedes Kind auf der Insel kommt mit einem von ihnen fast automatisch in Berührung. Es gehört buchstäblich zum guten Ton nicht nur der wohlhabenderen irischen Familien, ihrem Nachwuchs eine musikalische Ausbildung zuteilwerden zu lassen. Deshalb sind die Iren ein so musikalisches Volk. Musikalische Traditionen sind wichtig, aber man ist nicht dogmatisch. Die Übergänge von Folk zu Pop sind fließend, wie man bei Besuchen von Pubs mit Livemusik schnell feststellen wird. Erlaubt ist, was gefällt. Die traditionelle Musik aber bildet fast immer die Basis.

Eleanor McEvoy enger

Eleanor McEvoy

Auch für die aus Dublin stammende Sängerin Eleanor McEvoy, gerade eine der vielversprechendsten Singersongwriter der Insel. McEvoy hat nicht nur eine wunderbare, dunkel timbrierte ausdruckstarke Stimme, sie begleitet sich selbst auf der Gitarre mit wunderbar erdigem Groove. In Deutschland ist die Sängerin bislang noch so weitgehend unbekannt, was sich vermutlich bald ändern wird.

Nachwuchsmusiker und etablierte Größen der irischen Musikszene kann man zum Beispiel beim alljährlich Ende Januar stattfindenden Temple Bar Trad in Dublin hören. Seit 2004 gibt es das TradFest, bei dem innerhalb von fünf Tagen eine Auswahl von Irlands besten Musikern in den Pubs der Hauptstadt sowie in kleineren oder mittleren Konzertsälen aufritt. Eine schöne Einrichtung, zumal der Januar auf der Insel um einiges milder ist als auf dem Kontinent und der nächtliche Kneipenbummel von daher nicht allzu frisch wird.
Auch „Stockton’s Wing“ oder „Altan“, zwei weitere hervorragende irische Bands, die spielerisch mit den traditionellen musikalischen Wurzeln umgehen und ihre eigenen Wege gefunden haben, daraus etwas Eigenes, Neues zu schaffen, waren beim TradFest schon zu hören. Das Festival, bei dem man eine große Bandbreite an unterschiedlichen Spielarten irischer Folk- und Popmusik erleben kann, hat sich im Lauf seines Bestehens zu einem Besuchermagneten für ein internationales Publikum entwickelt. Wer eine Alternative zum Skiurlaub sucht – hier ist sie!

Robert Jungwirth

Online-Reisejournal 2015